Krieg ist Big Business. Nicht nur im Irak. Auch in bewaffneten Konflikten, die ohne High-Tech und konventioneller geführt werden, sind vermehrt professionelle Gewaltunternehmer involviert. Mit der gängigen Bezeichnung "Neue Kriege" wird man diesen Konflikten aber kaum gerecht. Das ist in der Neuerscheinung "Das Unternehmen Krieg" zu lesen.
Früher war alles besser. Sogar die Kriege. Da gingen zwei Armeen von souveränen Nationalstaaten aufeinander los, das Kriegsvölkerrecht wurde respektiert und das Verhältnis zwischen zivilen Opfern und gefallenen Kombattanten lag deutlich zu Ungunsten der Letzteren. Heute hingegen herrscht ein unübersichtliches Wirrwarr von weltweit mehr als fünfzig bewaffneten Konflikten, die meisten davon im Trikont, vorzüglich in Afrika. "Staatszerfall" und "Chaos" sind Auslöser, respektive Folge dieser "Neuen Kriege". Akteure sind nicht mehr Armeen, sondern Kriegsfürsten mit ihren marodierenden Banden. Und wir schauen dem Treiben aus der Ferne hilflos zu und sehen dunkle, urwüchsige Kräfte am Werk.
Soweit die gängige Sichtweise auf die veränderten Formen der Kriegführung. Auch bekannt als "Neue Kriege". Obwohl dieser Terminus seine Berechtigung hat, um eine historische Veränderung in der Kriegführung zu bezeichnen, bleibt der Begriff letztlich diffus und verwirrlich, ja sogar gefährlich. Denn: Versteht man die Unterscheidung zwischen "alten" und "neuen" Kriegen normativ, so erscheinen zwischenstaatliche und völkerrechtlich regulierte Kriege plötzlich als probates Remedium gegen die unkontrollierbaren und ausufernden "neuen" Kriege. Den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, kann kaum das Erkenntnisziel eines Diskurses in der Konfliktforschung sein.
Wer den Blick auf die wirtschaftlichen Hintergründe und Motive richtet, die hinter den vermeintlich chaotischen Konflikten mehr als nur schemenhaft erkennbar sind, so sind bald Akteure mit handfesten Interessen auszumachen. In der Neuerscheinung "Das Unternehmen Krieg" (Details siehe unten), herausgegeben von den beiden WoZ-Autoren Dario Azzellini und Boris Kanzleiter, wird anhand von konkreten Konfliktkonstellationen aufgezeigt zu wessen Vorteil Kriege "chaotisch" gehalten werden und weshalb die Trennlinie zwischen zivil und militärisch bewusst verwischt wird. Bald erkennt man, dass die "Neuen Kriege" so neu gar nicht sind; manche haben ihr Wurzeln in der Zeit der kolonialen Befreiung und der bipolaren Machtkonstellation des Kalten Krieges. Rebellenbewegungen wie wir sie heute aus Westafrika kennen, ähneln in ihrem (brutalen) Vorgehen nicht selten den Contra-Organisationen, welche die USA im Kampf gegen den sowjetischen Einfluss alimentiert hatten. Und nicht selten gingen moderne Paramilitärs aus ebensolchen Vorläuferstrukturen hervor.
Die Zuspitzung von vorhandenen Konfliktkonstellationen hinein in jahrelange, nicht enden wollende Kriege, erfolgte nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Staatenblocks und der Einordnung der Entwicklungsstaaten in den weltumspannenden Kapitalismus. Begünstigend auf die Kriege wirkte sich die Verschuldung des Südens sowie die im Zusammenhang mit der Gewährung von IWF-Krediten auferlegten Strukturanpassungsprogramme aus. Das wenige, was an sozialstaatlichen Errungenschaften noch übrig war, musste unter der Schuldenlast aufgegeben und/oder privatisiert werden. Und das hat Folgen: Wenn die losen Netze reissen, rettet sich wer, wohin er kann. Im Fall von Westafrika finden so junge Männer zur der Armee oder irregulären Truppen von Warlords. Dort gibts Sold und Essen in Form von Beute. So entwickelten sich allmählich Gesellschaften, schreibt der Philosoph Thomas Seibert, in denen der Krieg nicht mehr die irreguläre Unterbrechung der mehr oder minder friedlichen Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens ist, "sondern eine eigengesetzlich regulierte und auf ihre eigene Reproduktion ausgerichtete Ökonomie ", schreibt der Philosoph Thomas Seibert.
Diese Perpetuierung des Krieges in einen Dauerzustand schafft ein Tummelfeld für Kriegshandwerker aller Art. Allen voran private Sicherheitsunternehmen, die sich das auf jährlich 100 Milliarden Dollar Umsatz geschätzte Business teilen. Auftraggeber für Kriegsdienstleistungen gibt es zuhauf, outgesourct im Verteidigungsbereich wird überall. Auch in der Schweiz. So arbeitet etwa die Gruppe Rüstung des VBS im Bereich elektronisches Beschaffungswesen mit der amerikanischen Computer Science Corporation CSC zusammen, deren Umsatz zu 40 Prozent von US-Regierungsaufträgen stammt. CSC hat Anfang Jahr das berühmt-berüchtigte Söldnerunternehmen DynCorp aufgekauft, das unter anderem in Kolumbien Sprühflüge gegen Coca-Plantagen durchführt oder in Afghanistan die Leibwache von Präsident Karzai stellt. Den Grossteil ihres Umsatzes machen Firmen wie CSC aber nicht in den Krisengebieten, sondern in den Ländern des Nordens. Denn die professionalisierten Armeen der westlichen Staaten privatisieren immer weitere Teile ihrer Aufgaben. Im Süden sind die modernen Söldnerfirmen unter anderem auch fürs Grobe zuständig, Kampfhandlungen inbegriffen. Auch hier hat das Ende des Kalten Kriegs die Privatisierung des Krieges begünstigt. So können etwa beim russischen Flugzeughersteller Sukhoi Kampfjets samt Piloten gemietet werden. Eine Dienstleistung auf die unter anderem Eritrea im Kampf gegen den Nachbarstaat Äthiopien Ende der 1990er Jahre zurückgegriffen hat. Insgesamt sollen heute mehr als die Hälfte der ehemaligen KGB-MitarbeiterInnen für sogenannte Private Military Companies arbeiten. Doch nicht nur private Unternehmen bieten Söldnerdienste an. Auch Armeen, die ihr Personal mehr schlecht als recht entlöhnen kann, finden in der Einmischung in benachbarte Konflikte eine willkommene Geldquelle – nicht zuletzt dank der Ressourcen, die so unter Kontrolle gebracht werden. Als Modellfälle solcher Interventionspraxis gelten die Missionen ECOWAS und ECOMOG in den Kriegen Westafrikas. Das Eingreifen von Armeeteilen hat unter anderem zur Folge, dass sich private Söldnerunternehmen aus dem Kampfgeschehen zurückziehen und sich vermehrt auf logistische Unterstützung und andere Aufgaben im Hintergrund konzentrieren. Die Trennlinien zwischen privaten, halb-staatlichen und staatlichen Akteuren und ihre Einsatzgebiete werden zunehmend unscharf. Was die einen nicht mehr tun (können), übernehmen die anderen. Hauptsache es rentiert. Schliesslich lockt ein100 Milliarden-Dollar-Markt.