Neue Verhandlungen zwischen FARC und Regierung in Kolumbien
Guerilla und Regierung im Gespräch
Nach Wochen der Anspannung sprechen seit Anfang Februar in Kolumbien Guerilla und Regierung wieder miteinander. Präsident Andrés Pastrana und Manuel Marulanda, Kommandant der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, FARC, kündigten eine Wiederaufnahme des stockenden Verhandlungsprozess an.
Das Treffen hat nicht nur die kolumbianische Öffentlichkeit den Atem anhalten lassen, sondern auch international Hoffnungen geweckt. Die FARC hatten vergangenen November die Gespräche mit der Regierung abgebrochen, da diese, entgegen geschlossener Vereinbarungen, nicht gegen paramilitärische Gruppen vorging, welche ungebrochen die Zivilbevölkerung terrorisieren. Die Paramilitärs verstärkten im vergangenen Jahr ihre Aktivitäten in ganz Kolumbien. Mittlerweile etwa 8.000 gut bezahlte Mitglieder der Banden agieren gegen die "Unterstützer der Guerilla". Dazu zählen sie alle, die sich ihrem Terror nicht beugen.
Allein im Januar diesen Jahres fielen den grausamen Massakern der Paramilitärs über 200 Zivilpersonen zum Opfer. Auch wenn in der internationalen Öffentlichkeit oft der Eindruck erweckt wird, es schaukele sich die Gewalt zweier Extreme, nämlich der Guerilla und den Paramilitärs, gegenseitig hoch, sprechen die Fakten eine andere Sprache. Kolumbianische wie internationale Menschenrechtsorganisationen machen eindeutig die Paramilitärs für den Großteil der verheerendsten Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Gedeckt und unterstützt werden die Terrorgruppen dabei durch Armee und Polizei, wie in zahlreichen Fällen nachgewiesen wurde.
Terror der Paramilitärs ungebrochen
Am 15. Dezember vergangenen Jahres beispielsweise versuchten Unbekannte den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Regierungsangestellten, Wilso Borja, zu erschießen. Der Anschlag, zu dem sich die Paramilitärorganisation AUC bekannte, die behauptet Borja sei Mitglied der ELN Guerilla, schlug allerdings fehl. Ein Attentäter fand statt dessen selbst den Tod. Von seinem Mobiltelefon aus war vor dem Anschlag mehrmals ein Polizeikapitän angerufen worden, gegen den mittlerweile wegen des gescheiterten Mordanschlages ermittelt wird.
Das Treffen zwischen Pastrana und Marulanda fand in Los Pozos, im Herzen der 42.000 Quadratkilometer großen Zone unter der Kontrolle der FARC statt. Das Gebiet mit der Fläche der Schweiz, aus dem sich die Armee zurückgezogen hat, entstand im November 1998 in Folge von Abkommen zwischen der Regierung und der ältesten und größten Guerilla des Landes. Ursprünglich war die Entmilitarisierungsvereinbarung über die Zone bereits Ende Januar ausgelaufen. Präsident Pastrana verlängerte sie kurzfristig nur um wenige Tage, was die Spannung zwischen Guerilla und Armee erhöhte. Zudem sorgten die aktuellen Offensiven der Paramilitärs gegen die Zivilbevölkerung und die im Dezember vergangenen Jahres im Rahmen des von den USA gesteuerten Plan Colombia in der Region Putumayo begonnenen Besprühungen von angeblichen Koka-Feldern aus der Luft für Zündstoff zwischen den Gesprächspartnern.
Pastrana und Marulanda konnten sich bei ihrem Treffen auf eine gemeinsame Erklärung einigen, in der die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla verkündet wird. Pastrana sicherte darüber hinaus eine Verlängerung der Existenz der entmilitarisierten Zone um weitere neun Monate zu. Außerdem einigten sich beide darauf, internationale Beobachter in die FARC-Zone einzuladen, damit sie vor Ort das bisher Erreichte evaluieren können.
Der Präsident sagte auch zu, die Besprühungen von vermeintlichen Drogenanbaugebieten aus der Luft zu stoppen. Das stünde allerdings im Widerspruch zum Plan Colombia und den Wünschen der USA. Marulanda betonte im Namen der FARC, die bereits mehrmals ihre Bereitschaft zur Durchführung von Drogenanbausubstitutionsprogrammen beteuert hat und dafür sogar konkrete Pläne vorlegte: "Wir sträuben uns nicht gegen eine Zerstörung der illegalen Anbauflächen per Hand, aber es muss gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass Gelder in Projekte zum Wohle der Bevölkerung fließen".
Pastrana verpflichtete sich bei dem Treffen mit der FARC-Spitze erneut zu einer intensiveren und effektiveren Bekämpfung der Paramilitärs. Beide Seiten einigten sich, eine Kommission aus anerkannten kolumbianischen Persönlichkeiten zu bilden, die Empfehlungen dazu erarbeiten soll. Betont wurde auch die Notwendigkeit den lange angestrebten Gefangenenaustausch von inhaftierten Guerilleros gegen Polizisten und Soldaten in der Gewalt der Guerilla voranzutreiben. Die FARC, welche 478 Uniformierte, zum Teil seit drei Jahren, gefangen hält, erklärte als Zeichen des guten Willens 50 von ihnen ohne Gegenleistungen freizulassen.
Die Verhandlungspartner einigten sich auf einen thematischen Terminkalender für die nächsten Wochen. Das erste Treffen seit der Wiederaufnahme der Gespräche des "Nationalen Tisches für Dialog und Verhandlung" fand bereits am 14. Februar statt. Dort einigten sich die beiden Seiten auf einen detaillierten Terminkalender sowie die Bildung einer Sonderkommission, die mögliche Hürden im Verhandlungsprozess bereits im Vorfeld aus dem Weg räumen soll, um ein erneutes Einfrieren der Gespräche zu vermeiden.
Trotz der erfolgreichen Gespräche bleiben schwerwiegende Hürden für einen wirklichen Friedensprozess, wie Manuel Marulanda betonte. Noch immer weigere sich die kolumbianischen Oligarchie tief greifenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen als Grundlage eines dauerhaften Friedens zuzustimmen, stellte er fest. Die Aktionen der Paramilitärs, die Hochrüstung des kolumbianischen Militärs und der als Drogenbekämpfung getarnte Krieg gegen die Opposition im Rahmen des milliardenschweren Plan Colombia gehen trotz Friedensbekundungen der Regierung ungebrochen weiter.
Hier hat die Regierung Pastrana sich bisher nicht von vorhergehenden kolumbianischen Regierungen unterschieden. Während sie vordergründig Gesprächsbereitschaft bekundet, treibt sie gleichzeitig politische Reformen voran, um das kolumbianische Zweiparteiensystem fest zu schreiben und spitzt das neoliberale Wirtschafts- und Sozialmodell in Absprache mit dem Internationalen Währungsfonds IWF immer weiter zu. In der gleichen Logik erklärte auch der Generalkommandeur der kolumbianischen Armee, General Fernando Tapias, erst vor wenigen Tagen die Militärs würden Kriegshandlungen durchführen um Frieden zu bringen. Tapias gehört zu den Scharfmachern im kolumbianischen Militärapparat und hatte bereits angekündigt, seine Truppen befänden sich in Bereitschaft um die entmilitarisierte Zone zurückzuerobern. Er drohte: "Wenn Präsident Pastrana die entmilitarisierte Zone verlängert, respektieren wir die Entscheidung, übernehmen aber keinerlei Verantwortung für das, was dort passieren kann".
Regierung verweigert Reformprozess
Schwierig ist auch der Konflikt mit der ELN. Nach jahrelangem hin und her stimmte die Regierung schließlich der Schaffung einer - wenn auch wesentlich kleineren - entmilitarisierten Zone für die zweitgrößte Guerilla in Kolumbien zu. Die Rahmenbedingungen sind bereits ausgehandelt und die Zone soll zunächst eine Gültigkeit von neun Monaten haben. Im Unterschied zur FARC hat die ELN aber noch keine Verhandlungen mit der Regierung geplant, sie will in dem Gebiet neun thematische Nationalkonventionen unter der Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Kräfte organisieren.
Der Zeitpunkt für die Installierung der Zone steht allerdings noch nicht fest. Militärs und Paramilitärs versuchen alles um die Entmilitarisierung zu blockieren. Während die Paramilitärs in dem Gebiet in der Nähe der Erdölstadt Barrancabermeja am Rio Magdalena, Kolumbiens größtem Fluss, bereits seit Monaten eine intensive Terrorkampagne mit Hunderten von Todesopfern führen und von ihnen geleitete und finanzierte Organisationen wie No al Despeje ("Nein zur Entmilitarisierung") Teile der örtlichen Bevölkerung zu Straßenblockaden und Protesten gegen die Entmilitarisierung zwingen, hat die Armee in einem Teil des für die ELN vorgesehen Gebietes, wo diese augenblicklich relativ erfolgreich gegen Paramilitärs vorgeht, eine Offensive gegen die Guerilla gestartet.