Der von der kolumbianischen Regierung vorgelegte "Plan Colombia" existiert in unterschiedlichen Fassungen, die jeweils an der Politik der Geberländer ausgerichtet sind

Schafft einen, zwei, viele Pläne

Es ist unser großes nationales Interesse, den Kokain- und Heroin-Fluss in Richtung unserer Grenzen zu stoppen und in Kolumbien und der Region den Frieden, die Demokratie und das Wirtschaftswachstum zu fördern", erklärte US-Präsident William Clinton, als er für die Jahre 2000 und 2001 eine Militärhilfe für Kolumbien in Höhe von insgesamt 1,574 Milliarden US-Dollar bekannt gab. Diese muss nun nur noch vom Kongress gebilligt werden. Die Militärhilfe fließt im Rahmen eines von der kolumbianischen Regierung präsentierten "Plan Colombia", der einen Gesamtumfang von sieben Milliarden US-Dollar vorsieht und für den die kolumbianische Regierung weltweit die Werbetrommel rührt, um weitere Geldgeber zu finden.

Dabei scheint es kaum jemanden zu stören, dass der strategisch ungenaue Plan in mehreren Versionen existiert - die Rede ist von zwei bis vier -, die jeweils an der Politik der Geberländer ausgerichtet sind. So setzt der Plan Colombia hauptsächlich auf die militärische Karte und bezeichnet die Guerilla als zu bekämpfende Profiteure des Drogenhandels. Den meisten EU-Ländern liegt hingegen eine Fassung des Plans vor, in dem der Schwerpunkt auf alternative sozio-ökonomische Projekte gelegt wird.

Die Aufrüstung steht im Widerspruch zu den öffentlichen Äußerungen des kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana, den jahrzehntelangen Krieg durch Verhandlungen beenden zu wollen. So erklärten denn die linksgerichteten Guerillaorganisationen Farc und ELN, dass die Unterstützung aus Washington im Wesentlichen der Bekämpfung der Guerilla und der sozialen Bewegungen und nicht des Drogenhandels diene. Dass das nicht so falsch ist, wird beispielsweise daran deutlich, dass von den fast 1,6 Milliarden US-Dollar nur 145 Millionen für alternative sozio-ökonomische Projekte - u.a. für die Umstellung von Drogenanbau auf andere landwirtschaftliche Produkte - und 93 Millionen für die "Verbesserung der Menschenrechtssituation und Justiz sowie Stärkung der demokratischen Institutionen" vorgesehen sind.

Die umfangreiche Militärhilfe bestätigt eine Abkehr der USA von Interventions-Phantasien. Kursierten im letzten Jahr noch Pläne und Gerüchte, die USA wollten direkt - in Form einer von der US-Luftwaffe unterstützten Invasion durch argentinische, peruanische und ecuadorianische Militärs - eingreifen, so war das Thema Ende des Jahres vom Tisch. Dafür hatte unter anderem die für die USA ungünstige regionale Entwicklung - allem voran das offensive Eintreten der Chavez-Regierung in Venezuela für Verhandlungen - gesorgt.

Hinter den Kulissen regt sich aber auch in den USA Kritik. Die New York Times berichtete, Vertreter des Pentagon, der Drogenbekämpfungs-Behörde DEA und der Küstenwache würden Bedenken gegen eine weitere Verstrickung der US-Army in den seit Jahrzehnten andauernden Konflikt äußern. Der oberste US-Drogenbekämpfer Barry McCaffrey wischte jedoch alle Einwände beiseite und erklärte, die Kritik stamme "von Behörden, die meinten, nicht genug von dem Kuchen abbekommen zu haben".

McCaffrey ist einer der eifrigsten Verfechter der These, bei den kolumbianischen Befreiungsbewegungen handele es sich um "Narco-Guerillas". Die politische Intention hinter dieser Behauptung ist offensichtlich. Denn weder die von der Washington Post öffentlich gemachte Zusammenarbeit von CIA-Agent und Geheimdienstoberst Ivan Ram'rez mit der Drogenhändlerfamilie Casta-o Gil noch der Schmuggel von mehr als 400 Kilo Kokain und Heroin durch die kolumbianische Luftwaffe (der zum Rücktritt des Luftwaffenobersten Sandoval führte), die gemeinsame Planung des Massakers von Riofrio / Valle del Cauca 1990 durch Armeeoffiziere und das Cali-Kartell oder die Narco-Wahlkampffinanzierung für den Ex-Präsidenten Ernesto Samper haben Washington jemals dazu bewegt, von einer "Narco-Regierung" oder gar einer "Narco-Oligarchie" zu sprechen.

Und zu Beginn der Gespräche mit der Farc musste selbst Präsident Pastrana öffentlich zugeben, dass die kolumbianische Guerilla keine Verbindungen zum Drogenhandel unterhält. Was sich von der Gegenseite nicht sagen lässt: So hat Laurie Anne Hiett, die in New York angeklagte Ehefrau eines in der US-Botschaft in Kolumbien im Bereich der Drogenbekämpfung eingesetzten Oberst der US-Army, kürzlich gestanden, über einen längeren Zeitraum Kokain und Heroin aus Kolumbien in die USA geschmuggelt zu haben.
Parallel zur staatlichen Aufrüstung finden Gespräche statt. In der entmilitarisierten Zone der Farc wurden, nach einer 20tägigen Feuer- und Verhandlungspause, am 13. Januar die Gespräche mit einer Regierungsdelegation wieder aufgenommen. In konkreten Punkten, wie dem von der Farc geforderten Vorgehen gegen den Paramilitarismus und dem vorgeschlagenen Austausch von 450 von der Farc festgehaltenen Militärs und Polizisten gegen inhaftierte Guerilleros, hat sich bisher aber nichts bewegt. Im Gegenteil, die Massaker der Paramilitärs haben unter der Regierung Pastrana in besorgnis erregendem Maße zugenommen.

Dafür einigten sich Ende Januar die Delegationen von Farc und Regierung darauf, die Verhandlungen in drei Blöcke zu je sechs Monaten Dauer zu strukturieren: zum Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, zu Menschenrechten, internationalem humanitärem Recht und internationaler Politik sowie zu politischen und Staatsreformen.

Im Februar reisten schließlich Vertreter der kolumbianischen Regierung und der Farc gemeinsam durch Schweden, Norwegen, Frankreich, Spanien und die Schweiz, um "all diese Erfahrungen und Konzeptionen des gesellschaftlichen Lebens" zu studieren. Die Reise sollte helfen, ein Gesellschaftsmodell für Kolumbien zu entwerfen.

Nicht sehr überzeugt von der Rundreise zeigte sich Dick Emanuelsson, Chefredakteur der Farc-nahen und in Schweden ansässigen Nachrichtenagentur Anncol. Er veröffentlichte unter dem Titel "Welches beispielhafte Modell?" einen Abriss der schwedischen Wirtschafts- und Machtstrukturen sowie der neoliberalen Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts und fragte: "Welches Modell haben sie untersucht?"
Schwieriger gestaltete sich eine Einigung zwischen ELN und Regierung. Die ELN besteht auf der Entmilitarisierung eines etwa 5 000 Quadratkilometer großen Gebiets im Süden der Region Bolivar an der Atlantikküste Kolumbiens. Dort sollen Gespräche zwischen ELN und Regierung sowie vor allem die thematisch ausgerichteten "Nationalkonventionen" stattfinden, auf denen die ELN und Hunderte Delegierte verschiedener gesellschaftlicher Organisationen und Bewegungen über die Zukunft des Landes diskutieren wollen.
Die ELN einigte sich sowohl mit der Regierung als auch mit Vertretern ziviler Organisationen Anfang Februar zumindest auf die Rahmenbedingungen der Entmilitarisierung: Rückzug der Streitkräfte und ihre Ersetzung durch einen lokalen Zivilschutz; internationale Präsenz; Anerkennung der lokalen Repräsentanten von Politik, Justiz und Kirche; keine weitere Eskalation des Konflikts und die Durchführung eines Programms zur Substitution des Drogenanbaus. Die Regierung Pastrana hat jedoch bisher keine Anstalten gemacht, die Entmilitarisierung des Gebiets einzuleiten. Am Donnerstag vergangener Woche erklärte Pastrana hoffnungsfroh, dass man sich sehr bald auf Ort und Sicherheitsgarantien einigen werde.

Die in der Region operierenden Paramilitärs versuchen hingegen seit Monaten - mit Unterstützung der Armee -, eine Entmilitarisierung zu verhindern, und haben bei Massakern 400 Personen ermordet und 60 000 vertrieben. Die Paramilitärs stellen die Bevölkerung vor die Wahl, entweder gegen die Entmilitarisierung zu protestieren oder ebenfalls verfolgt zu werden.

Mobilisierungen hat es daher sowohl für als auch gegen eine Entmilitarisierung gegeben. Die ELN unterbrach die Verbindung Medellin-Bogota, um ihre Forderungen zu unterstreichen. In einigen Regionen von Kolumbien, insbesondere an der Atlantikküste, ist wegen einer Kampagne der ELN, die dort Strommasten und Umspannwerke sprengt, seit Monaten der Strom ausgefallen oder stark rationiert. Betroffen sind davon mehrere Millionen Menschen. Die Aktionen sollen dazu dienen, Druck zur Einrichtung der entmilitarisierten Zone auszuüben. Gleichzeitig wenden sie sich gegen die weitere Privatisierung des Energiesektors.


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