Die Präsidenten Perus und Ekuadors kämpfen auch gegen schwindende Popularität an
Ölhöffiges Dschungelareal als Zankapfel
Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Ekuador und Peru, die Mitte Januar als Scharmützel begannen, mündeten am Wochenende in offensive Militäraktionen beider Seiten. Bisher sollen die Kämpfe, die an vier Fronten geführt werden, mindestens 30 Todesopfer gefordert haben, die meisten von ihnen peruanische Soldaten. Militärs und Regierungen beider Staaten haben sich unterdessen gegenseitig der Provokation beschuldigt. Die peruanische Militärführung hatte noch am Sonnabend verkündet, es werde keine Militäroperationen auf ekuadorianischem Territorium geben. Peru beschränke sich darauf, "seine Souveränität und Integrität" zu verteidigen. Ungeachtet dessen hat Lima erneut die Feindseligkeiten eröffnet und Grenzposten des Nachbarlandes angegriffen.
In dem Konflikt geht es um ein ungenügend markiertes Dschungelgebiet von etwa 340 Quadratkilometern ahe den Condor-Kordilleren am Cenepa-Fluß. Die Territorialstreitigkeiten zwischen Ekuador und Peru bestehen schon seit dem 19. Jahrhundert. 1941 führten beide Staaten einen zehntägigen Krieg, der mit der Kapitulation Ekuadors endete. Damals eroberte Peru nicht weniger als 200.000 Quadratkilometer ekuadorianischen Territoriums, etwa die Hälfte des Landes. Diese Gebiete gehören seit dem Rio-Abkommen von 1942 zu Peru einschließlich jenes Landstrichs am Cenepa-Fluß, der bei der Unterzeichnung des Abkommens nicht berücksichtigt worden war.
Ekuador hat das Rio-Abkommen bereits 1960 einseitig für ungültig erklärt. Der Andenstaat sieht sich durch die peruanische Auslegung des Abkommens um einen Zugang zum Amazonas-Fluß, und damit zum Atlantik gebracht. Zudem werden in dem umstrittenen Gebiet große Gold- und Erdölvorkommen vermutet. Bereits 1981 war es zwischen Ekuador und Peru zu bewaffneten Auseinandersetzungen um das Gebiet gekommen, die in einem Waffenstillstand mündeten. Seither steigen die Spannungen im Grenzgebiet alljährlich vor dem 29. Januar an, dem Jahrestag des Rio-Abkommens.
Der Konflikt hat nicht zuletzt einen handfesten innenpolitischen Hintergrund. Dem Staatspräsidenten Ekuadors, Sixto Duran Ballen, der seit den Wahlen von 1994 gegen den von der Opposition dominierten Kongreß regieren muß, kommt der Konflikt sehr gelegen: Er hat fast jeden Kredit verspielt und gedenkt sich nun in Sachen Patriotismus zu profilieren. Ähnlich ist die Situation des diktatorischen Präsidenten Perus, Alberto Fujimori. Ihm bietet der Krieg eine Chance, vor den Präsidentschaftswahlen vom 9. April an Popularität zu gewinnen und sich bei den Militärs beliebt zu machen. Inzwischen ordnete Ekuadors Präsident Duran eine Generalmobilmachung an und verhängte den Ausnahmezustand, Schulen und Universitäten wurden geschlossen. In Peru hingegen blieb das öffentliche Leben weitgehend unberührt, nur die nördliche Ölstadt Talara wurde in den letzten Nächten in Erwartung von Luftangriffen verdunkelt.
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) versucht unterdessen zu vermitteln. Die Präsidenten Boliviens, Kolumbiens, Panamas und Venezuelas richteten einen Friedensappell an ihre Nachbarn. Die Garanten des Rio-Abkommens – USA, Argentinien, Brasilien und Chile – bemühen sich um eine Lösungsvorschlag. Doch Perus Präsident Fujimori hat sich öffentlich gegen "jede Art von Einmischung" gewandt.