Interview mit WILFRIED TELKÄMPER Europaabgeordnete nach Chiapas?
Europaabgeordnete nach Chiapas
Sie wollen mit Wolfgang Kreissl-Dörfler, ebenfalls Europaparlamentarier der Grünen, nach Chiapas fahren – warum?
Wir befürchten, daß es in Chiapas weiter zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen kommt, daß vielleicht ein neues Tschetschenien entsteht.
Was wollen Sie mit der Reise erreichen?
Wir hoffen, internationale Öffentlichkeit herzustellen. Zwar hat Präsident Zedillo die Militäroffensive gestoppt, aber wir wollen die Zusage eines absoluten Waffenstillstandes mit der Möglichkeit, daß internationale Beobachter in dieses Gebiet hinein können. Wir verlangen weiter die Rücknahme der Haftbefehle gegen die Führung der Zapatisten und nach dem eben erfolgten Rücktritt des von der Regierungspartei lancierten Chiapas-Gouverneurs die Einsetzung des rechtmäßig gewählten Oppositionskandidaten Amado Avendano oder Neuwahlen. Wir haben unterdessen die Zusicherung des mexikanischen Botschafters, daß wir uns in Chiapas frei bewegen können.
Werden Sie eine Initiative im EU-Parlament starten?
Wir haben Chiapas gestern auf die Dringlichkeitsdebatte gesetzt. Es ist wichtig, daß das EU-Parlament hier sagt: Wir wollen kein neues Tschetschenien. Es besteht auch durchaus die Möglichkeit Druck auszuüben, da ein neues Handelsabkommen zwischen der EU und Mexiko vereinbart werden soll. Diesem Abkommen wird das Parlament nicht zustimmen, wenn die Menschenrechte in Chiapas und anderen Teilen Mexikos nicht gesichert sind.
Kann es sein, daß der Angriff der mexikanischen Armee auf das Gebiet der Zapatisten eine Bedingung für den Milliardenkredit war, den Mexiko jüngst erhalten hat?
Ja, die Vermutung liegt nahe, denn die ersten militärischen Handlungen des Bundesheeres vor gut einem Jahr standen ja auch im Zusammenhang mit dem Abschluß des regionalen NAFTA-Freihandelsabkommens. Es ist auch von mehreren Seiten bekannt geworden, daß die Chase Manhattan Bank gefordert hat, Zedillo müsse nun zeigen, daß er in Chiapas die Oberhand hat. Daraufhin wird er wohl das Militär entsandt haben.
Nun ist ja der 50-Milliardenkredit vom Bundesfinanzminister der BRD mitbeschlossen worden. Heißt das, er wußte auch von den eventuell damit verknüpften Bedingungen?
Wir werden die Bundesregierung im Europaausschuß des Bundestages genau zu diesem Kritikpunkt befragen. Wir hoffen aber, daß es keinen ursächlichen Zusammenhang gibt zwischen militärischem Eingreifen und der Kreditvergabe, so, wie wir das von der Chase Manhattan Bank gehört haben. Eine solche Anfrage im Europaausschuß ist aber auf jeden Fall eine Möglichkeit, Öffentlichkeit herzustellen und Druck auszuüben.