600 Soldaten patrouillieren an der apulischen Küste / Scharfe Kritik der Linken an Politik des Fremdenhasses
Italien schottet sich gegen Flüchtlinge ab
Ende April als Gesetzesdekret verabschiedet, ist diese Woche die Kontrolle der süditalienischen Küsten durch die Armee Wirklichkeit geworden. Italiens Linke hat die Maßnahme scharf kritisiert und wirft der Regierung vor, Fremdenhaß bewußt zu schüren.
Noch nicht lange liegen die Bilder einiger tausend albanischer Flüchtlinge zurück, die von den italienischen Behörden in das Fußballstadion Baris gepfercht wurden. Heute sind es vier Blechcontainer (120 m²), die in der Sonne zur Sauna werden, mit dem irreführenden Namen "Aufnahmezentrum". Hier sind 220 Flüchtlinge auf engstem Raum eingesperrt. Die Küsten des Salento, am Stiefelabsatz Italiens, sind eine der ersten Anlegestellen für Flüchtlinge aus dem gegenüberliegenden Albanien und Ex-Jugoslawien, aber auch aus Pakistan, Ägypten, der Türkei und Kurdistan. 8000 sollen es in den letzten acht Monaten gewesen sein. 600 Soldaten der Brigade Pinerolo sollen nun Tag und Nacht zu Land und zu Wasser gegen die Flüchtlinge vorgehen. Nur: "Was sollen denn die Soldaten gegen die Männer, Frauen und Kinder tun?" fragt Dino Frisullo, Vertreter von Senzaconfine (Ohnegrenzen), einer Organisation, die Flüchtlinge unterstützt. "Sollen sie vielleicht auf sie schießen?"
Eine Militarisierung der Region steht bevor, ähnlich wie bereits 1992 Tausende Soldaten nach Sardinien abkommandiert wurden, um vermeintliche Entführungen zu verhindern oder im selben Jahr auf Sizilien Polizei und Carabinieri im Kampf gegen die Mafia beistehen sollten. Der Erfolg der Manöver war gleich Null, doch ging es wohl auch eher um die Einschüchterung und soziale Reglementierung der Bevölkerung.
Abgeordnete der Rifondazione Comunista, der sozialdemokratischen PDS, der Grünen und vieler Flüchtlingsorganisationen haben die Maßnahmen der Regierung scharf kritisiert, sie würden die zunehmenden rassistischen Übergriffe legitimieren und schüren. "Flüchtlinge", so der Grüne Mattioli, "werden als nationale Notstandssituation, wie Erdbeben oder Überschwemmungen, dargestellt." Und nicht nur der PDSler Vasco Giannotti fragt, warum die Truppenentsendung gerade zu einem Zeitpunkt erfolgt, da im Parlament über eine Legalisierung illegaler Migranten und über Einwanderungskontrolle durch Abkommen mit den Herkunftsstaaten debattiert werde. Es sei eine gefährliche Entwicklung, Migration als Problem der öffentlichen Ordnung zu verkaufen.
Die Verschärfung der Regierungspolitik hatte sich bereits vor einigen Monaten durch eine Initiative von Guido Bolaffi, im Ministerrat für soziale Angelegenheiten verantwortlich, angekündigt. Bolaffi hatte kritisiert, dass das restriktive Asylgesetz Martelli "zu viele Garantien bietet", und eine Verschärfung gefordert, so die Aufhebung der Verfassungsrechte für illegale Einwanderer.
Dabei ist gerade im Salento Migration kein neues Phänomen. Seit Jahrtausenden schon siedeln Menschen aus dem heute als Albanien bekannten Gebiet auf die italienische Seite über. Auch Dörfer griechischen Ursprungs finden sich in einigen Regionen Süditaliens. Andererseits ziehen Millionen von Süditalienern nach Norditalien, und Millionen Italiener emigrierten in diesem Jahrhundert in die USA, nach Kanada, Lateinamerika und Nordeuropa. Heute würde man die damals Notleidenden und Arbeitssuchenden wohl als Wirtschaftsflüchtlinge diffamieren.