Teilverfahren im Kaindl-Prozeß endete mit glattem Freispruch/Richterin deckte Staatsschutz
Entnervte Justiz
Das Verfahren gegen den wegen des Todes des Nazi-Kaders Gerhard Kaindl angeklagten Abidin E. endete am Dienstagabend als juristisches Possenspiel mit Freispruch. Bereits vor einer Woche war das Verfahren gegen ihn vom Hauptverfahren abgetrennt worden, da sowohl von Mitangeklagten wie auch von Zeugen seine Anwesenheit am Ort der Tat verneint wurde.
Abidin und seine Rechtsanwälte hatten sich gegen eine Abtrennung gewandt, die nur dazu dienen würde, die Machenschaften des polizeilichen Staatschutzes zu vertuschen. Abidin war durch Konstruktionen und vom Staatsschutz manipulierte Aussagen in das Verfahren gezogen worden. Als eine Anklage wegen gemeinschaftlichen Mordes zunehmend zusammenbrach, wurde seitens der Richterin und der Staatsanwaltschaft das Interesse deutlich, dem Staatsschutz Enthüllungen zu ersparen.
So wurden am Dienstag alle Beweisanträge von Abidins Anwalt Christoph Kliesing, so eine Vernehmung der Staatsschutzbeamten unter Eid, von einer sichtlich nervösen Richterin Eschenhagen mit lapidaren Begründungen abgelehnt. Sie drohte Kliesing gar mit „strafrechtlichen Schritten“, da dieser sich nicht der Schwamm-drüber-Linie des Gerichts anschließen wollte. Als Anwalt Christoph Kliesing dies mit „die Fassade bröckelt“ kommentierte, konterte die Vorsitzende aggressiv „Ihre auch“.
Die Staatsanwaltschaft, die ursprünglich eine Anklage wegen gemeinschaftlichen Mordes in einem Fall und versuchten gemeinschaftlichen Mordes in sechs Fällen wollte und die öffentliche Stimmung angeheizt hatte, warf nun Kliesing vor, den Prozeß „für politische Ziele als Fanal zu missbrauchen“.
Letztlich ging es Gericht und Staatsanwaltschaft darum, Abidin eine Haftentschädigung für die einjährige U-Haft zu verweigern, indem er selbst für seine Haft verantwortlich gemacht wurde, „schließlich hätte er seine Alibi-Zeugen schon vor einem Jahr präsentieren können“, wurde ihm vorgehalten.
In seinem engagierten Plädoyer hielt Christoph Kliesing der Richterin vor, Rechtsstaatlichkeit gäbe es nur, wenn es der Justiz passe. Das Feilschen um eine Haftentschädigung von 20 DM je Tag bezeichnete er als Racheakt an Abidin, der aus seiner politischen Einstellung nie einen Hehl gemacht habe. Das Gericht weigerte sich, so Kliesing, aufzuklären, wie der Staatsschutz Ermittlungsergebnisse konstruiert hätte. Dabei sei auch vom Verfassungsschutz 1992 gezielt ein Spitzel in das Umfeld von Antifasist Genclic eingeschleust worden, der die Aufgabe hatte, das Vertrauen einiger nun Angeklagter zu gewinnen. - Der Prozeß endete mit Freispruch für Abidin. Entschädigung erhält er lediglich für einen Bruchteil der Haft.