"medico" veröffentlichte Buch zur Landminenkampagne
Junghans liefert nicht nur Uhren
In jüngster Zeit war mancher Bundesbürger erstaunt, wenn er sich plötzlich im Zentrum seiner Stadt einem Minenteppich gegenübersah einem simulierten versteht sich. Mit solchen Aktionen wollen Aktivisten der von medico international, Vietnam Veterans for Peace und vielen anderen Gruppen gestarteten internationalen Landminenkampagne auf eines der größten Übel unsrer Zeit aufmerksam machen. Kampagnenziel ist das Verbot von Herstellung, Export und Verwendung dieser heimtückischen Waffen. Und solche Aktionen machen gerade auch in Deutschland Sinn: Allein im neuen Bonner Bundeshaushalt, so dieser Tage ein Sprecher der in Frankfurt/Main ansässigen Hilfsorganisation medico international, sind 354,5 Millionen DM für die Weiterentwicklung von Minen angesetzt.
In Deutschland darüber gibt das unlängst von medico herausgegebene Buch "Das Bild der Welt als kontrollierter Explosivkörper" Auskunft beherrschen illustre Konzerne wie die Deutsche Aerospace (DASA) in München, zu der die Daimler-Töchter Dornier , MBB, MTU und Telefunken-Systemtechnik gehören, die Buck Werke sowie Rheinmetall in Berlin die Entwicklung und Produktion von Minen. Junghans und Tochterfirma Eurochron verdecken mit bunten Prospekten voll teurer Uhren ihre wirklich lukrativen Produktionszweige: die Fertigung von mechanischen und elektronischen Zündern.
Tretminen wurden im zweiten Weltkrieg entwickelt, um das Entschärfen von Panzerminen zu erschweren. Heute werden sie in allen denkbaren militärischen Konflikten eingesetzt. Betroffen von den weltweit mehr als 120 Millionen gelegten Landminen älterer Bauart sind vorwiegend Zivilisten. Jede Woche werden hunderte Personen von Minen zerfetzt, Tausenden Gliedmaßen abgerissen. Das 152 Seiten starke, zur Kampagne erschienene medico-Buch kommt zu dem Schluß: "Minenhersteller und Militärs haben den Menschen genau studiert, um ihn systematisch zu verstümmeln."
Ganze Landstriche werden mit Minen in "No-Go-Areas" verwandelt, also der Bevölkerung zur Bewirtschaftung entzogen. Ziel ist es, die Zivilbevölkerung zu vertreiben oder zu töten, wenn der Kriegsgegner nicht militärisch zu schlagen ist. Vor allem Teile von Afghanistan, Angola, Kambodscha, Kurdistan, Moçambique, Nikaragua, Somalia und Vietnam sind wegen Minen unbegehbar geworden.
Im Golfkrieg kamen Minen auf allen Seiten verstärkt zum Einsatz, flüchtende Zivilisten fanden zu Tausenden ein grausames Ende. Nahrungsmittellieferungen für die irakischen Kurden wurden nicht selten über Minenfeldern abgeworfen. Im Grenzgebiet von Türkei, Iran und Irak sind außerdem in den letzten Jahren hunderte kurdische Zivilisten bei der Flucht vor der türkischen Armee umgekommen.
Bonn, einer der wichtigsten militärischen Zulieferer des NATO-Partners Türkei, trägt nach Ansicht der "medico"-Autoren eine maßgebliche Mitschuld an den Minen-Opfern in Türkisch-Kurdistan. Zwar behauptete die Bundesregierung im letzten Jahr offiziell, "keine Kenntnis von der Verminung durch die türkische Armee" gehabt zu haben, doch gab sie gleichzeitig die Übergabe von 20 000 Schützen- und 200 000 Panzerabwehrminen aus NVA-Beständen an "verbündete und befreundete Nationen" bekannt. Kurz darauf bestätigte ein Kommandant der türkischen Gendarmerie, "daß entlang der türkischen Grenze zu Iran und Irak 80 000 Minen gelegt wurden".