Video-Verfahren gegen HB
Die Leitung der baskischen Organisation soll vor dem Kadi erscheinen
Vier Mitglieder der Leitung der baskischen Koalition Herri Batasuna (HB), von der bürgerlichen Presse als politischer Arm der ETA bezeichnet, sollen am heutigen Freitag vor dem Sondergerichtshof „Audiencia Nacional“ in Madrid erscheinen. Ihnen und den restlichen 21 Vertretern und Vertreterinnen HBs, die für die darauffolgenden Tage vorgeladen wurden, wird „Zusammenarbeit mit einer bewaffneten Bande“ vorgeworfen. Konkret geht es um einen Videofilm, in dem die bewaffnete baskische Organisation ETA ihren an die spanische Regierung gerichteten Vorschlag zur Beilegung des bewaffneten Konfliktes vorstellt und einen weiteren, in dem HBs Position dazu erläutert wird. Im Vorfeld der spanischen Wahlen am 3. März hatte HB das ETA-Video, das teilweise auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, auf über 200öffentlichen Veranstaltungen gezeigt.
Kurz vor den Wahlen ließ die spanische Justiz Jon Idigoras, den Vorsitzenden HBs, verhaften, da er zu einem Gerichtstermin nicht erschienen war, bei dem er zu der Verbreitung der Videokassetten befragt werden sollte. HB beschloß damals, wie auch im aktuellen Fall, kollektiv den Vorladungen nicht Folge zu leisten. An ihrem Vorgehen sei nichts auszusetzen: „Die Öffentlichkeit hat ein Recht, den Friedensvorschlag ETAs kennenzulernen“. Jon Idigoras saß bis Mitte Juni in Haft, bis zur Zahlung der von umgerechnet zirka 3,5 Millionen schließlich auf etwa 60.000 Mark gesenkten Kaution.
Nachdem in den letzten Monaten von verschiedenen Parteien und Medien ein Verbot der im baskischen Parteienspektrum links stehenden HB und der linken baskischen Jugendorganisation Jarrai ins Gespräch gebracht wurde, wird nun befürchtet, die spanische Regierung wolle HB mit der Verhaftung des gesamten Vorstandes praktisch köpfen. Einlenken wollen die Repräsentanten des Vorstandes trotz der drohenden Haft nicht. Drei Vorstandsmitglieder halten sich bereits in Brüssel auf, um international über den weiteren Verlauf informieren zu können. Ob die zuständigen Richter tatsächlich Haftbefehle für den gesamten Vorstand ausstellen werden, wird letztendlich mehr eine politische als eine juristische Frage sein. Auch unter den bürgerlichen Parteien, ob spanische oder baskische, herrscht Uneinigkeit, ob der Konflikt weiter eskaliert werden soll. Schon jetzt stehen Justiz und Polizei den seit zwei Jahren stetig zunehmenden Anschlägen und Angriffen von Jugendlichen im Baskenland relativ machtlos gegenüber. Bevorzugte Angriffsziele sind neben Militär und Polizei, spanischer wie baskischer Banken Versicherungen, Zeitarbeitsfirmen, Arbeitsämter, staatliche Behörden und Institutionen der von konservativen baskischen Nationalisten geführten autonomen Regionalregierung.
Allein in den ersten sechs Monaten diesen Jahres verdreifachten sich derartige Anschläge im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Während die zentralstaatlichen Parteien von der sozialdemokratischen PSOE bis hin zur rechtskonservativen PP auf eine Illegalisierung HBs drängen, können die Parteien im Baskenland einem Verbot HBs wenig Gutes abgewinnen. Dort erreicht HB bei Wahlen etwa 15 Prozent der Stimmen. Ihre Illegalisierung würde den Konflikt sicherlich erheblich verschärfen.