Fast die Hälfte der Unterschriften für ein Referendum gegen Hugo Chávez wird überprüft
Einstimmig gegen Fälschungen
Venezuela - Am Dienstag abend verkündete der Nationale Wahlrat Venezuelas (CNE) das Ergebnis der Überprüfung der von der rechten Opposition gesammelten Unterschriften für eine Volksabstimmung über die politische Zukunft von Präsident Hugo Chávez. Demnach sind 1.832.493 Unterschriften gültig. 145.930 wurden für ungültig erklärt, da sie als Namen von Verstorbenen, nicht im Wahlregister eingetragenen Personen, Minderjährigen oder Ausländern identifiziert wurden. Weitere 233.573 wurden für ungültig erklärt, weil die persönlichen Daten wie die Personalausweisnummer nicht mit dem Namen übereinstimmten. 876.000 Unterschriften hingegen sollen einem öffentlichen Überprüfungs- und Korrekturprozeß unterzogen werden. Diese Listen waren aufgefallen, weil sie anscheinend mit der gleichen Handschrift ausgefüllt wurden und Fälschungen möglich sind. Damit wurden von der Opposition insgesamt etwas weniger als 3,1 Millionen Unterschriften abgegeben. Zuvor war stets von 3,4 Millionen Unterschriften die Rede. Trotz politischer Diskrepanzen innerhalb des CNE wurde die Entscheidung einstimmig getroffen.
Für die Durchführung des Referendums sind etwa 2,45 Millionen Unterschriften notwendig. Daß es der Opposition gelingt, dieses Quorum von 20 Prozent der Wahlberechtigten zu erreichen, gilt jedoch als sehr unwahrscheinlich. Besonders die mit einheitlicher Handschrift ausgefüllten Unterschriftenlisten sind offenbar zu großen Teilen ohne das Wissen der angeblichen Unterzeichner ausgefüllt wurden. Zehntausende haben sich nach Veröffentlichung der Unterschriften bereits mit entsprechenden Vorwürfen an die Organisatoren gemeldet. Die Korrektur der entsprechenden Unterschriften wird vom 18. bis zum 22. März in 2.700 Stellen im gesamten Land stattfinden. Ursprünglich sollten nur 1.000 Überprüfungsstellen eingerichtet werden. Die endgültige Entscheidung des Wahlrates wird dann zwei Tage später erwartet.
Für die Einhaltung der Verfassung und für die Souveränität Venezuelas demonstrierten am Sonntag in Caracas bis zu drei Millionen Unterstützer der Regierung. Selbst einige internationale Nachrichtenagenturen, die der Regierung Chávez gegenüber gemeinhin kritische Positionen einnehmen, sprachen von einer beeindruckenden Manifestation. Andere, wie etwa die Deutsche Welle, phantasierten die Teilnehmerzahl auf 100.000 herunter und sprachen von Zusammenstößen zwischen Regierungsanhängern und Oppositionellen.
Chávez-Gegner fordern US-Intervention
Nachdem sich die Entscheidung des CNE bereits am Freitag abgezeichnet hatte, begannen kleine Gruppen der Opposition hingegen mit Gewaltakten. Die ehemaligen Regierungsparteien Copei (konservativ) und AD (sozialdemokratisch) heizten die Stimmung an, indem sie zum Aufstand und zu Gewalt aufrie-fen. Aus dem Lager der Chávez-Gegner werden inzwischen immer unverhohlener ein neuer Militärputsch und eine Intervention der USA in Venezuela gefordert. An den Gewaltaufrufen war federführend auch die Partei ”Primero Justicia“ (PJ) beteiligt. Dabei handelt es sich um eine Abspaltung der konservativen Copei, die Hilfe von der den deutschen Christdemokraten nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung erhält.
Inzwischen wurden neue Details über die gewaltsamen Zusammenstöße der letzten Tage bekannt. Am Rande der Demonstration von etwa 3.000 Personen am vergangenen Freitag hatten bewaffnete Teilnehmer unter der Führung der PJ die Zentrale der Chávez-Partei ”Bewegung Fünfte Republik“ (MVR) gestürmt und Feuer gelegt. In dem Gebäude ist auch das ”Comando Ayacucho“ untergebracht, ein Gremium, das eine Unterschriftensammlung gegen die Opposition organisiert hatte.
Vor allem im wohlhabenden Osten der Hauptstadt hatten kleine Gruppen immer wieder zentrale Straßen und Teile der Stadtautobahn mit brennenden Autoreifen und Fahrzeugen blockiert. An verschiedenen Orten wurde auf Mitglieder der Nationalgarde geschossen. Einige der Schützen sollen Polizeieinheiten aus von der Opposition kontrollierten Bezirken von Caracas angehört haben. Mindestens zwei von ihnen wurden von der Nationalgarde verhaftet, wobei Handgranaten sichergestellt wurden.
Ex-Maoisten als Stoßtrupp der Opposition
Zu den Gewalttätern gehörte auch die ehemals maoistische Gruppe ”Bandera Roja“ (Rote Fahne), die heute den bewaffneten Stoßtrupp der Opposition bildet. Mitglieder dieser Gruppe hatten am Freitag nachmittag die Zentraluniversität (UCV) gestürmt, um von dort aus das Feuer auf die Autobahn zu eröffnen. Am Freitag abend dann verlagerten sich die gewaltsamen Ausschreitungen von etwa 150 Oppositionellen in die Innenstadt. Entgegen vorhergehenden Medienberichten waren die beiden Toten an diesem Tag nicht Opfer der Zusammenstöße mit der Nationalgarde.
Dario Azzellini, Caracas