Private Militäragenturen gehören zu den tragenden Säulen des Besatzungsregimes
Irak: Die Stunde der Sekundanten
Anfang 2005 stellen die Private Military Contractors (PMC) das nach den US-Streitkräften zweigrößte Kontingent aller im Irak stationierten Militärverbände: Nach Angaben von Custer Battles über 30.000 Iraker und "bis zu 20.000 aktive Ausländer". Schon während der Invasion 2003 wurden hochentwickelte Waffensysteme (etwa die Global Hawks) von Spezialisten diverser PMCs bedient. Derzeit werden Private Dienstleister im Irak für den Objekt- und Personenschutz sowie für Sondermissionen eingesetzt. So waren Mitarbeiter der Firmen Caci und Titan an den Folterungen im Gefängnis Abu-Ghraib beteiligt.
Seit die Strategie der "Koalition der Willigen" darauf hinausläuft, sich mit den eigenen Soldaten vorzugsweise in Militärcamps zu verschanzen und mit massiven Operationen gegen Zitadellen des innerirakischen Widerstandes vorzugehen, wächst nicht nur das Auftragsvolumen für die PMCs, die privaten Militärdienstleister. Deren Missionen sind auch riskanter geworden.
Viele der in den Bulletins des US-Hauptquartiers als "Zivilisten" ausgewiesenen Opfer von Anschlägen und Entführungen sind nur formal Zivilisten. Oft handelt es sich in Wirklichkeit um das Personal verschiedener Privatagenturen - genau genommen um die Söldner des 21. Jahrhunderts. Einige Beispiele: Am 2. Mai 2004 kamen bei einem Bombenanschlag auf einen Konvoi zwei Angehörige von Global Risk International ums Leben, die auf den Fidschi-Inseln rekrutiert worden waren. Am 26. November 2004 wurden bei einem Raketenangriff auf die "Grüne Zone" Bagdads, den angeblich sichersten Sektor der Stadt, vier nepalesische Söldner der Gurkha-Einheiten getötet, die bei Global Risks Strategies unter Vertrag standen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.
Eine expandierende Nachfrage nach kommerziellen Dienstleistern im Irak hat dazu geführt, das sowohl Newcomer als auch etablierte Unternehmen der Branche ihre Büros in Bagdad eröffnet haben. Allein einschlägige Firmen aus Großbritannien konnten dem Direktor der Londoner Agentur Janusian zufolge ihren Umsatz seit der Okkupation des Irak von 320 Millionen Dollar auf 1,8 Milliarden pro Jahr erhöhen. Das erwähnte Unternehmen Global Risk Strategies zählte Anfang Oktober 2001 - vor dem Angriff der US-Armee auf Afghanistan - ganze zwei Mitarbeiter, heute werden im laufenden Geschäftsbetrieb weltweit über 1.000 Mann für den Objekt- und Personenschutz vermietet. Global Risk Strategies unterhält zwischenzeitlich Dependancen in London, Washington, Johannesburg, Bagdad, Kabul, Islamabad, Dubai, Hongkong und Suva (Fidschi).
Seit für den Einsatz im Irak die höchste Gefahrenstufe gilt, weichen viele PMCs bei der Rekrutierung ihres Personals auf bislang weniger beachtete Länder aus. Triple Canopy aus Lincoln (US-Bundesstaat Illinois) verlegte seine Mitarbeiterwerbung von den Philippinen nach Zentralamerika, mit dem Schwerpunkt El Salvador. Die jüngste Geschichte dieses Landes sei durchaus ein Grund dafür gewesen, so Firmensprecher Joe Mayo. Triple Canopy, spezialisiert auf den Schutz von Zivilangestellten der US-Behörden in Bagdad, begab sich auf die Suche nach salvadorianischen Ex-Militärs mit Spezialausbildung. Bei Kadern der einstigen Nationalgarde, deren Elite-Einheiten während des Bürgerkrieges zwischen 1981 und 1993 (gegen die Guerilla der Frente Farabundo Martí) ein exzellentes Exerzierfeld für "counterinsurgency" (Aufstandsbekämpfung) vorfanden, wurden die Werber von Triple Canopy fündig. Den Hombres der Todesschwadronen winkt im Irak ein Honorar von 1.700 Dollar pro Monat. Viel Geld für El Salvador, wo ein Personenschützer in privaten Diensten bestenfalls auf 350 Dollar Monatssalär rechnen kann.
Auf das gleichfalls von inneren Konflikten zerrissene Kolumbien ist das US-Unternehmen Halliburton konzentriert, um Mitarbeiter für jene "sensiblen Sicherheitsbereiche im Irak" zu verpflichten, die unter die Kategorie Förderanlagen, Raffinerien und Pipelines für Öl im Raum Basra fallen. Die im Guerilla- und Drogenkrieg erprobten, teilweise von US-Instrukteuren trainierten Kolumbianer stehen hoch im Kurs. 7.000 Dollar monatlich plus Lebensversicherung bietet Halliburton, dazu Verträge für mindestens ein Jahr, verlängerbar um sechs Monate. Einmal in drei Monaten spendiert der Auftraggeber einen Kurzurlaub in einer europäischen Stadt nach eigener Wahl. Nur wer vorzeitig aussteigt, muss alle erhaltenen Gelder zurückzahlen.
Mit der wohl heikelsten Mission, die zur Zeit im Irak vergeben werden kann, sieht sich das Unternehmen Blackwater aus Moyock (North Carolina) betraut, zu dem die am 31. März 2004 in Falludscha gelynchten und an einer Brücke zur Schau gestellten vier Amerikaner gehörten, die in den Medien als "Zivilisten" bezeichnet wurden. Die Crews von Blackwater - die Firma wurde 1996 vom ehemaligen Navy-Commander Seal Erik Prince gegründet - schützen mit der Coalition Provisional Authority (CPA) quasi die Regierung und bilden zudem irakische Anti-Terroreinheiten aus, die auf Operationen "hinter den feindlichen Linien" und die Evakuierungen von verletzten US-Soldaten aus Kampfsituationen vorbereitet werden. Die zur höchsten Risikogruppe zählenden Männer von Blackwater verdienen bei ihren Einsätzen 600 bis 1.000 Dollar am Tag.
So professionell und seriös viele PMCs auch auftreten, an dubiosen Anbietern fehlt es freilich nicht. In exemplarischer Weise gilt das für die südafrikanische Meteoric Tactical Solutions (Hauptsitz Pretoria), die mit einem Vertrag über 270.000 Pfund von der britischen Entwicklungshilfebehörde DFID (Department for International Development) gebunden wurde und Leibwachen sowie Fahrer für den kleinen Stab der DFID im Irak zu stellen hatte. Zwei der Firmeneigner wurden vor knapp einem Jahr in London zusammen mit dem zwielichtigen britischen Ex-SAS-Kämpfer Simon Mann verhaftet. Der saß zuvor im Management des mittlerweile aufgelösten südafrikanischen Söldnerunternehmens Executive Outcome, aus dem wiederum die Firma Sandline hervorging, die Simon Mann mit dem Ex-SAS-Mitglied Tim Spicer gegründet hatte. 1998 war Sandline von der britischen Regierung unter Vertrag genommen worden, um in Sierra Leone zu intervenieren und das UN-Waffenembargo zu unterlaufen.
Schlüsselfigur dieser Operation war Tim Spicer, der 1997 mit Sandline in Papua-Neu-Guinea bereits die Rebellenarmee von Bouganville bekämpft hatte, als die sich gegen den zerstörerischen Kupferabbau multinationaler Konzerne zur Wehr setzte. Trotz (oder wegen) dieser Vorgeschichte erhielt Spicer mit seinem 2003 gegründeten Unternehmen Aegis Defense Services von der US-Armee einen ausgesprochen lukrativen Irak-Auftrag (Geschäftsvolumen 293 Millionen Dollar) und koordiniert heute den Sicherheitsdienst für verschiedene, am Wiederaufbau beteiligte US-Firmen.
Es dürfte kaum überraschen, dass die meisten südafrikanischen Söldner im Irak aus Sondereinheiten des einstigen Apartheidregimes kommen - aus dem Bataillon 32 oder der Elite-Einheit Koevoet, die bis 1990 in Namibia an Operationen gegen ANC- und SWAPO-Mitglieder beteiligt war. Zu den an Euphrat und Tigris exponierten Militäragenturen gehört nicht zuletzt Erinys International - benannt nach einer griechischen Göttin, die einen Schuldigen verfolgt, dessen Taten nie bestraft werden. Erinys unterhält ein Hilfskorps, das in seinem Kern aus 1.500 Südafrikanern besteht, aber inzwischen auch 14.000 irakische Wachleute beschäftigt. Vom Equipment her bestens ausgestattet, bieten die vier Erinys-International-Direktoren um den britischen Ex-Offizier Alastair Morrison sogar Luftlande-Operationen in unwegsamem Gelände an.
Im Januar 2004, wurden im Irak die Erinys-Angestellten Deon Gouws und François Strydom bei einer Bombenexplosion getötet. Sie waren für das Apartheidregime, respektive die Sondereinheiten Vlakplaas,aktiv, so dass Gouws in den neunziger Jahre zu einer Anhörung vor der Wahrheitskommission geladen wurde und bei dieser Gelegenheit einräumte, zu Zeiten der Rassentrennung in Südafrika zwischen 40 und 60 Häuser von Oppositionellen niedergebrannt zu haben.
Umstritten sind die ökonomischen Vorteile des Outsourcings militärischer Aufträge. Schließlich bezahlen die Staaten - allen voran die USA - den PMCs unglaubliche Summen, während in vielen Fällen auch die Ausbildung späterer Dienstleister zu ihren Lasten geht. So koste das 18-monatige Training eines Green Berets etwa 250.000 Dollar - wechselt der Betreffende irgendwann zu einer PMC schlagen sich die staatlichen Vorleistungen in privaten Gewinnen nieder.
Das über die PMCs praktizierte Outsourcing sollte daher vielmehr als Teil einer Militärdoktrin verstanden werden, die davon ausgeht, mehrere Kriege gleichzeitig führen, aber die dafür notwendigen Operationen öffentlicher und parlamentarischer Kontrolle entziehen zu können. Da PMC-Mitarbeiter in keiner Gefallenen- oder Verwundetenstatistiken auftauchen, lassen sich außerdem die offiziellen Opferzahlen "niedrig" halten. Wer sich zum Einsatz kommerzieller Sekundanten der eigenen Streitkräfte entschließt, kann zudem das Völkerrecht, internationale Abkommen oder UN-Beschlüsse umgehen - man denke nur an den Auftrag für die Firma MPRI während des jugoslawischen Bürgerkrieges, kroatisch-muslimische Einheiten in Bosnien unter Umgehung des verhängten Waffenembargos auszubilden und auszurüsten.
In den USA müsste eigentlich das International Traffic in Arms Regulation als staatliche Behörde sämtliche, im Auftrag der Army handelnde PMCs kontrollieren, doch in der Praxis ist davon nichts zu spüren. Da die PMCs ihrerseits zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten verpflichtet sind, kann sich das Militär stets auf den Wortlaut des offiziell erteilten Auftrags berufen - und der ist in der Regel nichtssagend. Dieser Umstand weist auf einen weiteren "Vorzug" der PMCs - sie agieren faktisch in einem rechtsfreien Raum. Da es sich bei PMC-Mitarbeitern nicht um Soldaten im herkömmlichen Sinne handelt, sind sie keiner Militärjustiz unterworfen. Und was das zivile Strafrecht angeht - in vielen Einsatzgebieten findet sich kein Richter, der den Mut und die Autorität besitzt, es anzuwenden.
"Coalition of the billing"
Von 1994 bis 2004 unterzeichnete allein die US-Regierung über 3.000 Verträge mit Privatunternehmen, um sich Dienstleistungen für im Ausland stationierte Truppen zu sichern. Nach einem am 29. Juli 2004 veröffentlichten Report des Centre for Public Integrity (Washington) wurden von der Bush-Administration im Irak Aufträge an 150 amerikanische PMCs mit einem Gesamtvolumen von 48,7 Milliarden Dollar vergeben. Daher ist häufig die Rede davon, dass die coalition of the willing (Koalition der Willigen) von einer coalition of the billing (Koalition der Rechnungssteller) flankiert wird.
Global Player "DynCorp"
Offiziell machte das US-Unternehmen DynCorp in Kolumbien von sich reden, als seine Spezialisten Ende der neunziger Jahre im Krieg gegen Koka-Bauern und Drogen-Mafia als unentbehrlich galten. Doch stellte DynCorp zum gleichen Zeitpunkt auch Wachpersonal an der Grenze USA/Mexiko und für Testgebiete von Kernwaffen. Im Oktober 2003 wurden im Gaza-Streifen bei einem Bombenanschlag drei DynCorp-Mitarbeiter getötet, die Personal aus der US-Botschaft in Israel eskortierten. Im Irak ist DynCorp beauftragt, Formationen der Nationalen Gendarmerie auszubilden. Dafür wurde ein tausendköpfiges Dyncorp-Team nominiert, um eine angemessene Feinauswahl treffen zu können.
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