In der HipHop-Szene wächst die Gewaltbereitschaft
Rap und die Macht der Fäuste
Die US-Amerikaner wissen es schon lange, seit Wochen nun geistert es auch durch die deutschen Medien: HipHop macht gewalttätig. In der Tat scheinen einige Beispiele darauf hinzuweisen. So tourt Dr. Dree nur noch mit Polizeipiepser am Schienbein und Bewährungshelfer an seiner Seite. Er konnte es nicht lassen, wiederholt Leuten seine Ablehnung spüren zu lassen, indem er sie krankenhausreif schlug. Einer Fernsehmoderatorin, die die falschen Fragen stellte, brach er den Arm, bei jemand anderem mußte der Kiefer dran glauben. Sein Kollege Snoop Doggy Dog hat eine publicityträchtige Mordanklage am Hals, er und sein Leibwächter sollen aus dem Auto gestiegen sein und jemanden, der im Weg stand, ins Jenseits befördert haben. Flavour Flav von Public Enemy soll seinen Nachbarn beschossen haben, weil dieser "seine Frau angestarrt hatte".
Für Presse und puritanische Elternverbände war dies ein gefundenes Fressen. Gangsta-Rap, also Rap mit Texten aus dem Gangster- und Gang-Milieu, macht gewalttätig, sagten sie. Jahrelang hatten sie gemeinsam mit fanatischen Christen Platten von Jimi Hendryx bis Led Zeppelin rückwärts abgespielt und des Satans Stimme gehört, daraufhin Plattenverbrennungen organisiert und Verbote gefordert. Doch nun kommt die Gewalt auf dem Präsentierteller, kein lästiges rückwärtshören mehr (was sich bei CD's ja auch wesentlicher schwieriger gestaltet...), der Fall ist klar. In diesen Chor reihte sich während der letzten US-Präsidentschaftswahlen auch der jetzige Vize Al Gore ein: Ice-T griff er massiv wegen seines "Copkiller"-Songs an, und der schwarzen Rapperin Sister Souljah warf er Rassismus gegenüber Weißen vor (Ich dachte immer, Rassismus würde auch ein gewisses Machtverhältnis beinhalten...). Seine Frau ist führende Aktivistin in einer Vereinigung von Zensurfetischisten, die Amerika sauber halten wollen.
Doch halt, die zunehmende Gewalt ist kein Grund zum Jubeln, wie es in der deutschen Rap-Szene teilweise geschieht. Sie ist Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse. In einer Welt, in der sich nur Gewalt durchsetzt, in der Egoismus und Individualismus als positive Eigenschaften gelten, ist eine Zunahme der Gewalt logische Folge. Mit hämischen Grinsen zu vermerken, daß Grundschüler Butterflymesser tragen und man sich selbst im Kiez nur noch mit Knüppel oder Gasknarre bewegt, ist kurzsichtig. Es ist auch überhaupt nicht cool, sich in Discos oder auf Konzerten, zuletzt bei Run DMC & Onyx in Berlin, grundlos aufs Maul zu hauen. Zuviele meinen, Gangbanger spielen zu müssen und verkennen dabei, daß einer der Grundgedanken des HipHop der Zusammenhalt, die Solidarität und nicht das Gegeneinander ist.
HipHop ist in den Ghettos der USA entstanden, es war auch ein Protest gegen die herrschenden Verhältnisse. Auch hier sind die meisten Jugendlichen unzufrieden. Gang-Schlägereien ändern nichts. Der wirkliche Gegner hat nicht andere Turnschuhe an oder die falsche Jacke check it!