jW-Leserreise in Venezuela: Seit zwei Monaten tritt die Belegschaft von »Snacks America Latina« für eine Gewerkschaftsvertretung ein
Snacks und Klassenkampf
Die Straße vor dem Betrieb ist mit Baumstämmen, Ästen, Eisenrohren und Autoreifen versperrt. Seit über zwei Monaten halten die Beschäftigten von »Snacks America Latina« am Rande der Millionenstadt Barquisimeto in Zentralvenezuela ihren Betrieb nun schon besetzt. Vor den Werkstoren stehen einige Arbeiter Wache, andere liegen in den Lieferwagen des Unternehmens auf Matratzen und schlafen. Die Nacht war kurz. Schon um vier Uhr morgens tauchte eine Richterin auf. Zusammen mit 60 Polizisten versuchte sie, dem Zweigstellendirektor gewaltsam Zugang zum Betriebsgelände zu verschaffen. Nur die Anwesenheit zahlreicher Arbeiter anderer Unternehmen und schließlich das Eingreifen der Nationalgarde konnten die Räumung verhindern. Die Belegschaft besteht schließlich auf ein verfassungsmäßiges Recht: Die Frauen und Männer von »Snacks America Latina« wollten nichts als eine Gewerkschaft gründen und so eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen durchsetzen.
Der Direktor erkannte die Gewerkschaft nach der Gründung im März jedoch nicht an. Die 40 der insgesamt 64 Beschäftigten, die sich in der Gewerkschaft zusammengeschlossen hatten, wurden bedroht. Trotz aller Schlichtungsversuche stellte sich die Werksleitung stur und drohte mit Entlassungen und gar Schließung der Niederlassung, falls die Belegschaft weiterhin die gewerkschaftliche Organisierung fordern würde. Daraufhin beschlossen die 40 Kolleginnen und Kollegen, das Firmengelände zu besetzen.
»Snacks America Latina« ist kein kleines Unternehmen. Hinter dem Namen steht der transnationale Lebensmittelkonzern »Frito Lay« (Mexiko/ USA), der die auch in Deutschland erhältlichen »Doritos« und weiteres Salzgebäck auf den Markt bringt. Allein der aktuell besetzte Vertrieb in Barquisimeto setzt umgerechnet eine Million Euro im Monat um. Die Beschäftigten erhalten dennoch alle nur den Mindestlohn von weniger als 170 Euro. Sie haben keine geregelten Arbeitszeiten, sondern nur ein Pensum, welches sie erfüllen müssen. »Das dauert manchmal mehr als zwölf Stunden«, berichtete Gewerkschaftssekretär Danny Correa. Die Vertriebsfahrzeuge seien zudem in einem lebensgefährlichen Zustand. Tatsächlich sind auf dem Werksgelände einige schrottreife Kleinbusse zu bestaunen, bei denen Motorteile, Außenspiegel und Scheinwerfer notdürftig mit Klebeband befestigt wurden.
Während die Gruppe der jW-Leserreise die Fabrik am Freitag besuchte, traf die Delegation einer anderen Betriebsgewerkschaft mit Lebensmittelspenden ein. Auch diese Gruppe war im bolivarischen Dachgewerkschaftsverband UNT (Union Nacional de Trabajadores) organisiert. »Die UNT unterstützt ganz stark«, erklärte Danny Correa, »ebenso wie der Gouverneur unseres Bundesstaates Lara und das regionale Parlament«. Weil es noch immer korrupte Richter gebe, müsse man aber »auf alles vorbereitet« sein.
Mit ihrem Besuch, so schien es, glichen die Deutschen die mangelnde Solidarität von offizieller Ebene aus: Obwohl es sich bei der UNT um den größten Dachverband Venezuelas handelt, unterhält er vom DGB keine Unterstützung. Von Deutschland aus wird nach wie vor der alte Verband CTV unterstützt, der nachweislich in den Putschversuch im April 2002 verstrickt war.
Kontakt zu den Streikenden: sintrasnackslara_01@hotmail.com
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