Venezuela: 88 kolumbianische Paramilitärs verhaftet. Exilkubaner und rechte Opposition planten Putsch gegen Chávez
Staatsstreich abgewehrt
In der Nacht von Samstag auf Sonntag verhaftete die venezolanische Polizei in einem wohlhabenden Außen-bezirk von Caracas 88 kolumbianische Paramilitärs. Laut Verlautbarungen des Verteidigungsministers Jorge Luis García Carneiro stehen die Verhafteten in Verbindung zu dem kolumbianischen Paramilitärverband AUC. Einer der verhafteten Paramilitärs erklärte mit verdecktem Gesicht vor laufenden Fernsehkameras, er gehöre zu einer Gruppe von 130 Kolumbianern, die sich zur”Durchführung militärischer Aktionen“ in Venezuela befänden. Laut der Aussagen des Verhafteten besteht die Gruppe aus ehemaligen Soldaten, die unter Vorspielung falscher Tatsachen und durch Bedrohung ihrer Familien nach Venezuela gelockt worden seien. Sie seien bereits seit 46 Tagen im Land und vorort in der Erstürmung von Gebäuden und der Nutzung von Handfeuerwaffen und Uzi-Maschinenpistolen ausgebildet worden.
Der interviewte Paramilitär erklärte weiter, auch der Besitzer des Landgutes sei aktiv an der Vorbereitung der Aktionen beteiligt gewesen. Seine Gruppe gehöre zu einer Vorhut, die geplant habe, militärische Einrichtungen zu attackieren, Waffen zu rauben und damit insgesamt 3.000 bis 4.000 einsickernde Paramilitärs aus Kolumbien zu bewaffnen. ”Ich habe keinen Zweifel, dass sie mich stürzen und ermorden wollten“, so der venezolanische Präsident Hugo Chávez in einer Fernsehansprache, nachdem am Sonntag kurz vor Morgengrauen in der Nähe Caracas’ 56 kolumbianische Paramilitärs verhaftet wurden. Bis zum Montag wuchs die Anzahl der verhafteten Paramilitärs auf 88. Nach weiteren wird in einer groß angelegten Suchaktion der Armee gefahndet.
Die Paramilitärs befanden sich auf dem Landgut des Exilkubaners Roberto Alonso, Bruder der in den USA lebenden Sängerin María Conchita Alonso. Roberto Alonso trat zuletzt als Ideologe der Ausschreitungen und Blockadeaktionen der venezolanischen Opposition Ende Februar/Anfang März auf. Er war zum Zeitpunkt der Erstürmung seines Landguts nicht anwesend und wird nun per Haftbefehl gesucht.
Die Aktion war von der Nationalgarde, dem Militärgeheimdienst (DIM), der Geheimpolizei (DISIP) und einer speziellen Ermittlungsabteilung vorbereitet und durchgeführt worden. Wie mehrmals von Regierungs-, Armee- und Polizeirepräsentanten unterstrichen wurde, seien die Verhaftungen ohne Schußwaffeneinsatz abgelaufen. Verschiedene Sprecher betonten, in Anspielung auf die Vorwürfe der USA, Venezuela würde ”den Terrorismus nicht richtig bekämpfen“, es sei offensichtlich auch möglich, den Terrorismus zu bekämpfen, ohne Tausende von Unschuldigen umzubringen.
Gemäß Informationen des DISIP-Direktors Miguel Rodríguez Torres hätten die kolumbianischen Paramilitärs ab dem morgigen Mittwoch Angriffe auf Militäreinrichtungen vornehmen sollen, darunter das Regionalkommando 1 und das Kommando der Nationalgarde in Caracas. Die Männer hätten venezolanische Armeeuniformen getragen, um der venezolanischen Armee die Verantwortung für ihre Aktionen zuschieben zu können und so Verwirrung innerhalb der Streitkräfte zu säen.
Rodríguez dementierte zudem über die Fernsehkanäle der Opposition verbreitete Behauptungen, wonach sich auch Polizeieinheiten aus den drei oppositionell regierten Stadtteilen von Caracas – Baruta, El Hatillo und Chacao – an der Verhaftungsaktion beteiligt hätten. ”Ich denke, sie versuchen, eine Grundlage aufzubauen, um von den Verantwortlichkeiten abzulenken, die in den Ermittlungen um den Fall zu Tage treten werden“, so Rodríguez. Der DISIP-Chef erklärte, bei einem vor zehn Tagen abgehörten Telefongespräch zwischen dem Chef der Paramilitärs und einem ”nicht näher identifizierten Oppositionellen“ habe Letzterer versichert, man müsse sich wegen der lokalen Polizei keine Sorgen machen, denn ”die Polizei gehört uns und wird sich darum kümmern, alle Zufahrtsstraßen zur Stadt in ihren entsprechenden Bezirken zu sperren“.
Die Paramilitärs hatten laut offiziellen Angaben auch Kontakte zu den Oppositionsbündnissen ”Demokratischer Block“ und ”Demokratische Koordination“, sowie zu putschistischen Exmilitärs. Anscheinend standen sie unter dem Oberbefehl des Putschisten und Exgenerals der venezolanischen Nationalgarde, Felipe Rodríguez. Er wird in Venezuela der Beteiligung an diversen Bombenanschlägen – unter anderem auf die spanische und die kolumbianische Botschaft – sowie des Mordes an mindestens drei Soldaten und zwei weiteren Personen verdächtigt. Er gehörte zum Kern der rebellierenden Militärs, die über Monate hinweg einen Platz in Caracas besetzt hielten und zum Sturz von Hugo Chávez aufriefen.
Erst Anfang März konnte Rodríguez, bekannt als”El Cuervo“ (der Rabe), gemäß venezolanischer Geheimdienstinformationen nach einem Hubschrauberunfall im kolumbianischen Departement Cesár unverletzt flüch-ten. Der Hubschrauber gehörte den kolumbianischen Paramilitärs der AUC. ”El Cuervo“ soll sich mit ihrem militärischen Anführer Salvatore Mancuso getroffen haben, um über den Kauf von Waffen und die Ausbildung von AUC-Kämpfern zur Durchführung terroristischer Angriffe in Venezuela zu sprechen. Salvatore Mancuso leugnete jedoch unmittelbar nach den Verhaftungen in Venezuela jede Verbindung seiner Terrororganisation zu den verhafteten Paramilitärs.
Dario Azzellini