Nach einem Treffen des kolumbianischen Innenministers mit dem Chef der AUC-Paramilitärs hat die Farc-Guerilla die Gespräche mit der Regierung ausgesetzt
Turteln mit den Paras
Erneut ist Sendepause. Die kolumbianische Guerilla Farc (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) hat vergangene Woche die Gespräche mit der Regierung vorläufig ausgesetzt. Farc-Sprecher Raul Reyes erklärte, dass die Guerilla die Gespräche nicht abgebrochen habe, sondern dass es an Präsident Andrés Pastrana liege, seinen Verhandlungswillen zu zeigen und wie zugesagt gegen den Paramilitarismus vorzugehen. Damit wurden die seit 23 Monaten anhaltenden Gespräche in einer entmilitarisierten Zone im Süden des Landes bereits zum dritten Mal unterbrochen.
Der Grund dafür lag in einem Treffen des kolumbianischen Innenministers Humberto de la Calle mit Carlos Castaño, dem Chef der berüchtigten Paramilitärs AUC (Autodefensas Unidas de Colombia), am 6. November. Das Treffen kommt einer politischen Anerkennung der Paramilitärs gleich, was von den beiden Guerillagruppen Farc und ELN (Ejercito de la liberación national) sowie von kolumbianischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen abgelehnt wird. Der Abbruch der Gespräche seitens der Farc dürfte die Regierung daher nicht überrascht haben.
Offiziell hatte sich der Innenminister aus "humanitären" Gründen mit Castaño getroffen, um die Freilassung von sieben von den AUC entführten Parlamentariern zu erreichen. Die Farc hingegen beschuldigt die sieben Parlamentarier, sich "selbst entführt", sich freiwillig in ein Lager der Paramilitärs begeben zu haben, um so unter einem humanitären Vorwand ein erstes ranghohes Treffen zwischen Paramilitärs und Regierung zu ermöglichen. Dafür spreche, dass die "Entführten" Reisetaschen mit Kleidung und Getränken mit ins AUC-Camp genommen hatten.
Darüber hinaus hat die kolumbianische Regierung - entgegen vorheriger Zusagen - bisher keine Schritte zur Bekämpfung der Paramilitärs eingeleitet. In den vergangenen Monaten schwoll die Welle paramilitärischer Gewalt noch weiter an, Hunderte fielen den Massakern zum Opfer. Am schwersten betroffen ist dabei die 180 000 Einwohner zählende Stadt Barancabermeja, Zentrum der kolumbianischen Erdölindustrie sowie Gewerkschafts- und ELN-Hochburg, in der seit Jahresbeginn 470 Personen eines gewaltsamen Todes starben. Die Paramilitärs haben die Stadt zum primären Zielobjekt erklärt. Feuergefechte zwischen Paramilitärs und Militärs auf der einen Seite und Guerilla-Milizen auf der anderen sind in der Stadt keine Seltenheit. Vor wenigen Tagen erst beschoss die ELN in der Innenstadt eine Armeepatrouille mit Raketenwerfern.
Die Farc sieht in der "Selbstentführung" der Abgeordneten eine deutliche Schwäche der Regierung Pastrana, die durch die Verluste der Regierungspartei bei den Kommunalwahlen Ende Oktober bestätigt werde. "So lange der Herr Präsident und seine Regierung dem Land und der Weltöffentlichkeit nicht ihre Position gegenüber dem paramilitärischen Terror erläutern und eine Politik einleiten, um ihn zu beseitigen, müssen die aktuellen Gespräche eingefroren werden", so ein Kommuniqué der Farc.
Die "Entführung" der sieben Abgeordneten durch die AUC fand just in dem Augenblick statt, als in den Gesprächen zwischen Regierung und Farc der Austausch von Gefangenen und die Möglichkeit eines Waffenstillstandes auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Mit der Aktion wollten die Paramilitärs einen politischen Status für sich erzwingen.
Die Farc-These von der inszenierten Entführung wirkt durchaus glaubwürdig, betrachtet man die Reaktionen verschiedener Kreise Kolumbiens: Ex-Verteidigungsminister Gilberto Echeverri Mejía und etliche Abgeordnete forderten, der AUC einen politischen Status zuzuerkennen und mit ihr zu verhandeln. Auch die angeblich Entführten sprachen sich nach ihrer Freilassung dafür aus.
Auch werden nun Stimmen aus Politik und Wirtschaft laut, die fordern, das 42 000 Quadratkilometer große Gebiet Caguán zu räumen, das sich unter der Kontrolle der Farc befindet. Bereits in den letzten Wochen hatte die extreme Rechte den Diskurs in der kolumbianischen Öffentlichkeit bestimmt. Nach der Freilassung von 18 Entführten durch die ELN in der Nähe der Stadt Cali reichte General Luis Ernesto Canal, Kommandant der Dritten Brigade, der die Militäraktionen gegen die ELN angeführt hatte, seinen Rücktritt ein, da er die Order von Präsident Pastrana, die laufende Armeeoffensive einzustellen, um die Freilassung der Entführten zu ermöglichen, für falsch hielt.
Die Armee kündigte an, ab Mitte nächsten Jahres die Streitkräfte um 30 000 Mann aufzustocken. Derzeit hat die kolumbianische Armee etwa 300 000 Soldaten und verschlingt 4,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Der amtierende Verteidigungsminister Luis Fernando Ramírez schlug auf einem Unternehmerkongress die zusätzliche Schaffung von vier neuen Anti-Guerilla-Bataillonen mit insgesamt 10 000 Angehörigen vor, die von der kolumbianischen Wirtschaft finanziert werden sollten. Verschiedene Unternehmer, darunter auch der Präsident der Nationalen Industriellen-Vereinigung (Andi), Carlos Villegas, gaben ihre Zustimmung.
Nachdem die Regierung zunächst einige Tage zu den Vorwürfen der Farc geschwiegen hatte, referierte sie am vergangenen Wochenende ihre Leistungen im Kampf gegen den Paramilitarismus. In den vergangenen fünf Jahren seien, so Vizepräsident Gustavo Bell, 243 Paramilitärs verhaftet worden, zudem bestünden weitere 311 Haftbefehle. Indes sagte Präsident Pastrana eine geplante Europareise ab, während der er unter anderem auch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundespräsident Johannes Rau zusammentreffen sollte. Die deutsche Bundesregierung hatte ihm in der Vergangenheit bereits mehrmals Unterstützung zugesagt.
Auch in der eigenen Region gerät Kolumbien zunehmend ins Abseits. So berief vor einigen Tagen die Regierung Panamas für Januar 2001 ein Treffen der Regierungschefs der Nachbarländer Kolumbiens ein, um über die Folgen des "Plan Colombia" zu debattieren. Kolumbien wurde ausdrücklich nicht eingeladen, was die kolumbianische Regierung als "unmöglich" bezeichnete.