Ohne Frage nach Ursachen und Folgen wird Statistik zynisches Zahlenspiel
Und wieder Kriege, Krisen und Konflikte
Nachdem wir bereits erfahren haben, wer Fußballer des Jahres ist, und in welchem Land der meiste Alkohol konsumiert wird, informierte uns ein Heidelberger Institut nun über die weltweit bestehenden "nationalen und internationalen" Konflikte. 119 sollen es im zu Ende gehenden Jahr gewesen sein. Die Zahl der "Krisen, Kriege und Konflikte" habe sich erhöht, obwohl 17 Konflikte im Laufe des Jahres beendet worden seien. Bei genauerer Aufschlüsselung sind es dann 23 Kriege, sechs mehr als im vergangenen Jahr.
Statistiken sind etwas Feines: Sie lehren uns, daß sich alles in Zahlen packen läßt. Kaum sind weitere Daten aus anderen Ländern oder Jahren vorhanden, kann auch gleich Bewegung ausgemacht werden: simple quantitative Veränderungen wie mehr oder weniger werden dann schnell zu qualitativen Merkmalen: besser oder schlechter. Ob nun mehr Tote oder mehr Waschmaschinen pro Haushalt alles scheint klarer.
Zu hinterfragen sind Statistiken ohnehin. Selten wird erläutert, welche Kriterien angelegt wurden. Also, wann wird eine Krise zum Konflikt und ein Konflikt zum Krieg? Und wo liegt der Unterschied? Die Forscher scheinen sich ihrer Ergebnisse sicher, ihre Tabellen präsentieren uns Daten, als liege der Unterschied so klar auf der Hand wie bei Äpfeln und Birnen.
Irgendwo muten diese Zahlen auch zynisch an. Da sind der Krieg in Bosnien und die Massaker der türkischen Armee an der kurdischen Bevölkerung jeweils eine Zahl in einer Spalte. Es wird nicht mehr unterschieden, wer die Verantwortung trägt, wer die Kriege finanziert, und wer daran verdient. Der Krieg wird zu einer eigenständigen Kategorie. Und ist sein Ende einmal verkündet, verschwindet er aus der Statistik. So etwa der Krieg in Afghanistan. Der Frieden wurde geschlossen, die Weltöffentlichkeit hat ihren Blick abgewandt. Da scheint es auch nichts auszumachen, daß der "Konflikt" jetzt mehr Menschenleben fordert, als die letzten "Kriegs"-Jahre.
Krieg hat Ursachen, und die gilt es zu beseitigen, nur so werden auch die Kriege enden. Doch selbst bei unkritischer Betrachtung müßte jedem auffallen: Die "neue Weltordnung" ist mindestens genauso wie die alte eine der Kriege. Die Pax Americana verspricht Ruhe und Ordnung und sorgt für Friedhofsruhe. Akzeptiert und getragen wird sie nun von allen Industrienationen und damit auch mehr oder weniger zwangsweise von vielen ärmeren, abhängigen Ländern.
Kriege wird es auch weiterhin geben, solange Gesellschaftssysteme im nationalen und internationalen Rahmen nicht auf Solidarität, sondern auf Konkurrenz beruhen. Solange Probleme und Forderungen durch Regierungen und Politiker erst dann wahrgenommen werden, wenn militärisch die Machtfrage gestellten wird, siehe El Salvador, Nordirland, Palästina... Kriege wird es solange geben, solange Grundbedürfnisse wie Essen und Wohnen Privilegien sind. Denn die werden immer wieder militärisch vor denen geschützt werden müssen, die sie, ohne Geld zu haben, einfordern.