Venezuela: Opposition organisierte »große Schlacht«.
Die Opposition in Venezuela hat zur »großen Schlacht« gerufen. Die rechte Provokation forderte zwei Tote und Dutzende Verletzte. Das ist die traurige Bilanz der ersten Demonstration gegen Präsident Hugo Chávez im neuen Jahr. Bewaffnet antworteten am Samstag dessen Anhänger. Am Rande der Beisetzung der beiden von Heckenschützen getöteten Demonstranten feuerten Sympathisanten von Präsident Chávez auf eine Polizeistation. Zwei Beamte wurden verletzt. Zuvor hatte die Regierung die Polizei in Caracas beschuldigt, die Unruhen am Freitag abend ausgelöst und gezielt die zwei Demonstranten erschossen zu haben.
Die rechte Opposition hatte am Freitag mit der Losung »die große Schlacht« in Caracas zu einem Sternmarsch aufgerufen. Die Demonstration, an der nur wenige tausend Personen teilnahmen, versuchte trotz Verbot, zur Militärkaserne Fort Tiuna zu gelangen. Während Nationalgarde und Militärpolizei das militärische Sperrgebiet gegen die Demonstranten abriegelten, hatten Regierungsanhänger zu einer Gegendemonstration in der Nähe aufgerufen, um einen Vormarsch der Opposition zu verhindern.
Vor Ort war auch die von der Opposition kontrollierte Stadtpolizei (PM), die zunächst mit Tränengas und gummiummantelten Stahlgeschossen gegen die Regierungsanhänger vorging und mehrere verletzte. Die Nationalgarde setzte hingegen Tränengas gegen Oppositionelle ein, die sie mit Steinen und Flaschen bewarfen, aber auch gegen Regierungsanhänger, die sich Auseinandersetzungen mit oppositionellen Demonstranten lieferten. Inmitten der Scharmützel wurde von einem Hausdach aus das Feuer auf Regierungsanhänger eröffnet, zugleich schossen auch andere Bewaffnete auf die Menge.
Die Situation in Caracas ähnelt stark der von der Opposition im vergangenen April organisierten Schießerei, deren 19 Tote - mehrheitlich Regierungsanhänger - zum Anlaß für den Putsch gegen Chávez genommen wurden. So waren auch die Anführer der Opposition bei der Demonstration am Freitag selbst nicht anwesend, was einige Teilnehmer dazu brachte, vor laufenden Fernsehkameras zu erklären, sie fühlten sich wie »Kanonenfutter«.
Der Ort Fort Tiuna als Ziel der Demonstration wurde von der Opposition gewählt, da dort der aus dem Dienst entlassene Divisionsgeneral der Nationalgarde, Carlos Alfonzo Martínez, inhaftiert ist. Der auch am Putsch beteiligte Martínez wurde Ende vergangenen Jahres von der Polizei für innere Sicherheit (DISIP) verhaftet, nachdem er Einheiten der Nationalgarde und Zivilisten zum Aufstand gegen die Regierung aufgerufen hatte.
Vollkommen friedlich und ohne Zwischenfälle verlief am Samstag eine Großdemonstration von Chávez-Anhängern in der Hauptstadt Caracas. Der vermeintliche Streik gegen Chávez wird mittlerweile nur noch von einigen wenigen großen Einkaufszentren, transnationalen Fast-Food-Ketten und Unternehmen sowie den höheren Angestellten des staatlichen Erdölunternehmens PDVSA aufrechterhalten. Um die Versorgung der ärmsten Bevölkerungsschichten sicherzustellen, die finanziell keinen Zugang zu den gut bestückten Supermärkten haben, importierte das Landwirtschaftsministerium Ende vergangener Woche Reis und Mehl im Wert von etwa 3,5 Millionen Dollar.
Trotz weitgehendem Scheitern des Anfang Dezember proklamierten »Generalstreiks« will die Opposition ihre Proteste im neuen Jahr »mit noch mehr Kraft« fortsetzen. Dies erklärte der Generalsekretär der gelben Gewerkschaft CTV, Manuel Cova. Dieser hatte in der vergangenen Woche die Bürger zur Verweigerung von Steuerzahlungen aufgefordert. Die Opposition besteht auf der Durchführung einer Volksabstimmung zum Rücktritt von Chávez am 2. Februar. Der oppositionelle Wahlrat kündigte an, das für Anfang Februar angesetzte Referendum über eine Absetzung des Präsidenten mit »internationalen Mitteln« zu finanzieren, falls die Regierung die Gelder verweigern sollte. Sollte der Termin von der Regierung nicht respektiert werden, kündigte die Opposition an, »die Stromversorgung, die grundlegenden Dienstleistungen und die Banken völlig lahmzulegen«.
Weiterhin ohne konkretes Datum bleibt eine seit geraumer Zeit als »Eroberung von Caracas« angekündigte Demonstration der Opposition. Diese soll - trotz Verbot - zum Präsidentenpalast Miraflores führen. Um den Präsidentenpalast war nach dem Putsch im April eine Bannmeile gezogen worden.
Indes steigt die Verärgerung großer Teile der Bevölkerung über die Opposition immer weiter. So wurden bereits Hunderttausende Unterschriften gesammelt, um den Medien, die zum Verfassungsbruch auffordern und den Putsch gegen Chávez unterstützten, die Lizenzen zu entziehen. In weiteren Unterschriftensammlungen werden juristische Maßnahmen gegen das an Sabotageakten beteiligte Personal der Erdölgesellschaft PDVSA sowie der Verbleib von Chávez im Amt bis zum Ende seines Mandats 2006 gefordert. Nach den Ereignissen vom Freitag sprach der Staatschef von der Möglichkeit, bei einer weiteren Zuspitzung der Ereignisse den Notstand auszurufen.