Massenkundgebung für Veneuzuelas Präsidenten. Volksabstimmung der Rechten wird zur Propagandashow
Vorsprung zur Halbzeit
Zum dritten Jahrestag der Amtsübernahme von Präsident Hugo Chávez in Venezuela haben am Samstag in der Hauptstadt Caracas Massenkundgebungen für die Regierung stattgefunden. Die Avenida Bolivar, eine der größten Straßen der Hauptstadt, war einmal mehr von Anhängern des linken Präsidenten Hugo Chávez überfüllt. In Europa tat man sich mit solch deutlichen politischen Zeichen schwer. So berichtete die Nachrichtenagentur AP am Samstag von »Zehntausenden« Unterstützern der Regierung, während die Opposition zuvor »Hunderttausende« auf die Straße gebracht habe. Die meisten Medien des südamerikanischen Landes berichteten von einer »riesigen Menschenmenge«, die zur Unterstützung ihres Präsidenten und der Regierungspolitik auf die Straße ging. Nach offiziellen Angaben demonstrierten mehr als zwei Millionen Menschen ihre Solidarität mit dem linken Regierungsbündnis. Ein groß angekündigter »Sternmarsch« der Opposition, der bereits am Mittwoch die Abgabe der Unterschriften für ein Referendum gegen Chávez hätte unterstützen sollen, hatte in einem Fiasko geendet. Wohlwollend geschätzt liefen einige zehntausend Oppositionelle durch die Straßen von Caracas.
Zahlreiche Regierungsmitglieder erklärten die Kundgebung zum Auftakt für die Mobilisierungen zu den Gouverneurswahlen im kommenden Jahr. Chávez selbst kündigte in seiner Rede die Kandidatur enger Vertrauter in vier der 22 Bundesländer an, die sich derzeit noch in den Händen der Opposition befinden. Er selbst wolle auch zu den nächsten Präsidentschaftswahlen 2006 antreten. »Danach«, so Chávez zu den Demonstranten, »wenn einer von euch Präsident wird, könnt ihr mir die Leitung einer Schule übergeben«. Ereignisse wie im April 2002, als die Rechte einen Militärputsch versuchte, werde es nicht wieder geben, versprach Chávez, »denn das Aufräumen in den Kuppeln der Macht ist noch nicht beendet«.
Die von der Opposition bereits Ende 2002 gesammelten Unterschriften für ein Referendum gegen Chávez werfen indes einige Fragen auf. Während die Opposition im Februar noch erklärte, 4,6 Millionen Unterschriften gesammelt zu haben und vor wenigen Wochen noch von 3,2 Millionen sprach, wurden nun aber nur 2,7 Millionen Unterschriften abgegeben. Die Frage nach den restlichen Unterschriften blieb bisher unbeantwortet. Bereits die Abgabe der Unterschriften in der vergangenen Woche hatte für Erstaunen gesorgt. Nach Angeben der Opposition wurden 152 Kartons mit Kopien der Unterschriftenlisten am vergangenen Mittwoch bereits vor fünf Uhr morgens beim Nationalen Wahlrat abgegeben, um so »mögliche Störungen« durch Chávez-Anhänger zu vermeiden. Um diese Uhrzeit war der Wahlrat aber nachweislich noch geschlossen. Nun wird über mögliche Unregelmäßigkeiten spekuliert, da der amtierende Wahlrat der Opposition wohl gesonnen ist. Das Gremium hatte mehrmals erklärt, daß ein Referendum noch im laufenden Jahr stattfinden könne, was jedoch dem von der Verfassung vorgeschriebenen Procedere widersprechen würde.
Der renommierte venezolanische Verfassungsrechtler Dr. Carlos Escarrá Malavé, Exmitglied des Obersten Gerichtshofes, erklärte Ende vergangener Woche, daß er aufgrund dieser obligatorischen Verfahrensweise keine Möglichkeit sehe, daß ein Referendum noch im laufenden Jahr stattfindet. Seiner Ansicht nach kommt es einem Betrug nahe, wenn in der Bevölkerung ein gegenteiliger Eindruck erweckt würde. Allein die Zeit, die der neue Nationale Wahlrat brauche, um die Verfahrensweise des Referendums festzulegen, die Unterschriften zu überprüfen und die vorgeschriebenen Fristen zur Einberufung der Volksabstimmung einzuhalten, würde die in diesem Jahr verbleibenden vier Monate überschreiten. Immerhin arbeite der aktuelle Wahlrat bereits seit zehn Monaten an den Reglementarien des Referendums, ohne bisher zu einem Ergebnis gelangt zu sein.
Vor allem die Überprüfung der Unterschriften und der Wählerlisten kann einige Zeit in Anspruch nehmen. In diesen Listen sollen Zehntausende bereits Verstorbene aufgeführt sein, während sich nach Angaben des Abgeordneten Dario Vivas bereits 2000 Personen gemeldet haben, deren Namen in den bisher veröffentlichten Unterschriftenlisten gegen Chávez enthalten sind, die aber nie unterschrieben haben wollen. Die Regierungsabgeordnete Iris Varela kündigte daher an, im ganzen Land Möglichkeiten anzubieten, die Listen nach dem eigenen Namen zu überprüfen. Die Bevölkerung sei gefordert, sagte Varela, mit den Proben aktiv gegen den vermeintlichen Betrug der Opposition vorzugehen.