Die Demobilisierung und Entwaffnung von rechtsgerichteten Milizen existiert vor allem auf dem Papier. AUC-Kämpfer weiter aktiv
Bogotás obskure Praktiken
Aníbal Gaviria, Gouverneur von Antioquia, hatte kürzlich eine wichtige Mitteilung zu überbringen: Ab Anfang November bis Mitte Dezember sollen zwei Blöcke des kolumbianischen Dachverbandes der Paramilitärs AUC demobilisiert werden: der "Bloque Bananeros" aus der Region Urabá und der AUC-Block im Südostens Antioquias. In letztgenannter Region Kolumbiens wüteten die Paramilitärs besonders heftig. Sie konnten dort bereits Anfang der 90er Jahre auf den Schutz des heutigen Präsidenten Alvaro Uribe zählen, der sie als Gouverneur protegierte. Insgesamt sollen nun 500 Paramilitärs demobilisiert werden, doch ihre Zahl könne noch steigen. Sie sollen sich in bestimmten Gebieten sammeln und dann in ihren ehemaligen Wohnorten "reintegriert" werden.
Einseitige Demobilisierung?
Kurz vor der Ankündigung Gavirias hatte "Friedenskommissar" Luis Carlos Restrepo erklärt, der "Bloque Catatumbo" der AUC, der im Norden von Santander, an der Grenze zu Venezuela operiert, werde demobilisiert. Nach Angaben der AUC gehören dem Block 3000 Paramilitärs an. Laut Menschenrechtsorganisationen sei der Block für 70 Prozent der 4000 Morde im Stadtgebiet von Cucuta in den vergangenen vier Jahren verantwortlich. Auch die im Mai in Venezuela verhafteten 130 kolumbianischen Paramilitärs, die Militäroperationen gegen die Chávez-Regierung des Nachbarlandes vorbereiteten, stammten aus der Region. Der Block steht unter dem direkten Oberbefehl des Paramilitärführers Salvatore Mancuso, Militärchef der AUC. Die ersten 1464 Paramilitärs würden bereits am 3. November demobilisiert, die restlichen bis Ende des Jahres. Die "Demobilisierung" geschehe angeblich einseitig und ohne Gegenleistung. 80 Prozent der betroffenen Paramilitärs seien nicht in schwere Verbrechen verwickelt und könnten daher direkt "in das Zivilleben integriert" werden.
Pro forma verhandeln die Paramilitärs der AUC seit Januar 2003 mit der Regierung über ihre Demobilisierung, doch seit Beginn der Gespräche ist so gut wie nichts über die Inhalte in die Öffentlichkeit gedrungen. Und selbst von dem Anfang Dezember 2002 als Grundlage der Gespräche ausgerufenen "einseitigem Waffenstillstand" der Paramilitärs ist nichts zu merken: Seitdem zählte die staatliche Menschenrechtsbehörde "Defensoría del Pueblo" 342 Verstöße der AUC gegen die Waffenruhe, darunter Massaker, "selektive Morde", Entführungen, Erpressung, Vertreibung, Raub und den Einsatz von "Kindersoldaten". Hinzu kommen die Verbrechen einiger tausend weiterer Paramilitärs, die nicht über ihre Demobilisierung verhandeln.
Die demobilisierten Paramilitärs werden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen im Sonderprogramm der Regierung und von privaten Sicherheitsfirmen eingebunden. Der Exkongreßabgeordnete Carlos Alonso Lucio schlug vor wenigen Tagen sogar vor, die Demobilisierten sollten in die Streitkräfte integriert werden. Lucio ist als Berater der AUC tätig. Dagegen bezeichnete selbst José Miguel Vivanco, Amerika-Direktor der konservativen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), die medial zelebrierte Demobilisierung der 855 AUC-Paramilitärs des "Bloque Cacique Nutibara" (BCN) in Medellin im November 2003 als "Spektakel der Straflosigkeit". Diese gaben insgesamt gerade einmal 110 Kalaschnikow-Gewehre, einige Pistolen, Jagdgewehre und selbstgefertigte Waffen ab. Nach nur drei Wochen "Resozialisierung" durften 200 von ihnen sogar für ein kommunales Wachunternehmen - bewaffnet - in Medellin patrouillieren. Keine neun Monate später war klar, daß ein guter Teil der angeblich Demobilisierten den in Medellin und Umgebung operierenden Paramilitärblock "Héroes de Granada" gebildet hat.
Belohnt für Raub und Mord
Laut AUC und Regierung sollen bis Ende 2005 insgesamt mehr als 20000 Paramilitärs "demobilisiert" werden. Dabei geht das Friedensforschungsinstitut Indepaz aber von der Existenz von nur 13000 AUC-Kämpfern aus. So stellt die "Demobilisierung" offensichtlich nicht nur eine Belohnung für die Paramilitärs dar, die den über Jahre mit Raub, Mord und Drogenhandel angehäuften Reichtum legalisieren können und straffrei ausgehen, sondern auch die Möglichkeit für zahlreiche andere Kriminelle, sich wieder eine saubere Weste zu verschaffen.
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