Nach Waffenstillstand legale Integration der Paramilitärs in Verteidigungsstruktur befürchtet
Straffreiheit als Ziel
Der Großteil der rechtsextremen kolumbianischen paramilitärischen Verbände, vereint in der Dachorganisation AUC, kündigte einen einseitigen Waffenstillstand ab dem 1. Dezember an. Der Initiative der Gruppen unter Führung der Großgrundbesitzer und Drogenunternehmer Carlos Castaño und Salvatore Mancuso, die etwa 80 Prozent der Paramilitärs des Landes ausmachen, schlossen sich auch weitere Verbände an, so daß nun insgesamt 95 Prozent der Paramilitärs dem Vorschlag eines Waffenstillstandes zustimmen.
Die AUC erklärten ihre Bereitschaft, unmittelbar Friedensgespräche mit der Regierung aufzunehmen, die von der katholischen Kirche, der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) und der UNO begleitet werden sollen. Die Regierung solle jedoch die Paramilitärs als politischen und militärischen Akteur im kolumbianischen Konflikt anerkennen – was bisher national und international von Guerillas, Gewerkschaften, Basis- und Menschenrechtsorganisationen strikt abgelehnt wurde, da die Paramilitärs eng mit der offiziellen Armee verquickt sind.
Darüber hinaus fordern die Paramilitärs auch »Passierscheine« für ihre des Drogenhandels angeklagten Führer, gegen die sogar ein – bisher folgenloser – Auslieferungsantrag der US-Justiz besteht. Am Ende des Verhandlungsprozesses müsse die Freilassung ihrer über 1000 inhaftierten Mitglieder stehen, so die AUC.
Es ist nicht der erste Waffenstillstand der Paramilitärs. In den vergangenen fünf Jahren hatte die AUC jeweils zur Weihnachtszeit einen Waffenstillstand verkündet. Allerdings folgte dem stets eine weitere Zunahme der Massaker an der Zivilbevölkerung. So etwa im Januar 1999, als innerhalb eines Monats über 200 Personen von Paramilitärs ermordet wurden, was von seiten der FARC-Guerilla zum Einfrieren der Gespräche mit der Regierung führte.
Das Waffenstillstandsangebot der AUC war durch hohe Vertreter der katholischen Kirche Kolumbiens zustande gekommen, die eng mit der kolumbianischen Oligarchie verflochten ist. Der kolumbianische Kardinal Darío Castrillón, Präfekt des Vatikans, ließ aus Rom wissen, die Ankündigung der Paramilitärs spiegele »einen Klimawechsel in Kolumbien wider«.
Die US-Regierung hingegen hat bisher keine offizielle Stellungnahme abgegeben, jedoch verlauten lassen, man »unterstütze die kolumbianische Regierung bei ihrem Versuch, der Gewalt ein Ende zu setzen«. Ebenso wenig gab es seitens der kolumbianischen Regierung bisher eine offizielle Stellungnahme zu dem Angebot der Paras, doch ist davon auszugehen, daß sie bereits im Vorfeld davon informiert war und gewisse Absprachen bestanden. Hinter den Kulissen läuft die Geheimdiplomatie auf Hochtouren, und etliche der Regierung nahestehende Persönlichkeiten haben bereits ihre Zustimmung geäußert. Und schließlich besitzt Präsident Alvaro Uribe Vélez ohnehin enge Verbindungen zu den paramilitärischen Gruppen. So riefen die AUC-Chefs Salvatore Mancuso und Carlos Castaño zur Wahl Uribes auf. Während der Wahlkampagne befanden sich in manchen Regionen die Wahlkampfbüros Uribes direkt in den Camps der Paramilitärs.
Als Gouverneur von Antioquia förderte Alvaro Uribe Vélez im Rahmen seiner Kampagne »Wohlstand, Fortschritt und Frieden« das Convivir-Netz. Die schwerbewaffneten halbprivaten, aber vom Militägeheimdienst aufgebauten, legalen Killertruppen »Convivir« (zynischerweise »Zusammenleben« genannt) agieren als legale Paramilitärs und zwangen in seiner Amtszeit über 200000 Menschen zur Flucht und ermordeten Tausende. Sie machten sich dermaßen vieler Menschenrechtsverbrechen schuldig, daß sie Ende 1997 offiziell verboten wurden, woraufhin sie einfach mit den Paramilitärs von Carlos Castaño fusionierten. Noch heute rühmt sich Uribe Vélez, in »seiner Region« für Ruhe gesorgt zu haben.
Zimperlich war Uribe in dieser Hinsicht noch nie. Als die Armee 1996 mehrerer Massaker in verschiedenen Regionen Antioquias beschuldigt wurde, stellte er diese Gebiete kurzerhand per Dekret unter die Obhut der Armee um »die Bevölkerung zu schützen«.
Verschiedene Menschenrechtsorganisationen und kolumbianische linke Organisationen und Basisbewegungen haben daher schon ihr Entsetzen über die Diskussion geäußert. Es wird befürchtet, daß die Paramilitärs faktisch in neu entstehende und an die Armee angebundene Strukturen überführt werden sollen, während ihre Menschenrechtsverbrechen ungestraft bleiben. Ein Schritt, der von allen progressiven und liberalen Kräften abgelehnt wird, da die Paramilitärs für über 70 Prozent der Menschenrechtsverbrechen verantwortlich zeichnen und zehntausende Menschen brutal ermordet haben.
Die Integration der Paramilitärs könnte über das von Uribe initiierte »Bauernsoldatenprogramm« verlaufen. In wenigen Wochen sollen so 10000 Bauern bewaffnet werden und ähnlich dem türkischen oder guatemaltekischen Modell zu »Dorfschützern«, also in den Gemeinden lebenden Paramilitärs, ausgebildet werden, die der Armee unterstehen. Genau dieses Vorgehen war vor knapp zwei Jahren von der US-amerikanischen Rand Corporation, einer Forschungseinrichtung der Waffenindustrie Mac-Douglas-Flugzugwerke