Menschenrechtsgruppen: Entwaffnung von Paramilitärs in Kolumbien dient Neugruppierung
Zweifel an Demobilisierung
Am Montag vor einer Woche gaben in Kolumbien 855 Paramilitärs, der gesamte »Bloque Cacique Nutibara« (BCN), in Medellin feierlich die Waffen ab. Anschließend begaben sich die Mitglieder der rechten Verbände staatlich betreut in das »zivile Leben« zurück. So die offizielle Version der kolumbianischen Regierung. Bewohner Medellins indes klagen über die anhaltende Präsenz der Paramilitärs in den Straßen der Stadt.
Der BCN bildete in der Vergangenheit einen Teil des paramilitärischen Verbandes AUC (Bäuerliche Selbstverteidigung Kolumbiens). Nur zehn Tage vor der Entwaffnung hatte ein junger Paramilitär des BCN gegenüber der Tageszeitung El Tiempo erklärt, er werde nicht alle Waffen abgeben und selbstverständlich auch seine Drogengeschäfte nach der »Reintegration« in die zivile Gesellschaft fortsetzen. Tatsächlich wurden von 855 Angehörigen der BCN gerade einmal 110 Schnellfeuergewehre, einige automatische Pistolen, Revolver, Jagdgewehre und selbstangefertigte Waffen abgegeben. Nach dem »Abkommen von Santa Fe de Ralito«, das am 15. Juli dieses Jahres zwischen Regierung und den Paramilitärs der AUC geschlossen wurde, sollen bis Dezember 2005 alle Paramilitärs, geschätzte 13 000 Mann, »demobilisiert« werden. Außerdem verhandelt die Regierung mit weiteren paramilitärischen Einheiten, die nach eigenen Angaben 7000 Bewaffnete zählen. Diese Zahlen werden allerdings von Experten als viel zu hoch eingeschätzt.
Vor allem die Absicht, bis März nächsten Jahres ein Gesetz zu verabschieden, das den Paramilitärs weitgehende Straffreiheit bescheren würde, trifft national und international auf Protest von Menschenrechtsorganisationen. Das würde es den Kämpfern schließlich ermöglichen, die Beute aus ihren Raubzügen zu legalisieren. Diese reicht von Millionen Hektar geraubtem Land bis zu den immensen Drogeneinnahmen. Die Paramilitärs, die ihren Kampf im wesentlichen mit Rauschgiftgeschäften finanzieren, sollen 70 Prozent der gesamten Drogenexporte kontrollieren. Darüber hinaus wird vermutet, daß die Maßnahme zur Legalisierung und Verstärkung der Bandenkriminalität genutzt würde, die die soziale Basis des rechtsextremen Paramilitär-Projektes bilden sollen. Befürchtet wird zudem, daß die »harten Kämpfer« über neue Programme der Regierung Alvaro Uribes in die Armeestrukturen integriert werden.
Während der feierlich inszenierten Waffenabgabe in Medellin wurden Videobotschaften ausgestrahlt, unter anderem von Diego Murillo Bejarano, »Don Berna« genannt, einem Drogenhändler mit langer krimineller Karriere. José Miguel Vivanco, Amerika-Direktor der konservativen Menschenrechtsorganisation »Human Rights Watch« (HRW) bezeichnete den Akt nicht zuletzt deshalb als »Spektakel der Straflosigkeit«. »Anstatt diesen Kriminellen Mikrofone zu geben, müßte die Regierung sie verhaften und der Justiz zuführen«, so der HRW-Vertreter.