FMLN-Politiker Mauricio Chávez zu den Problemen des Wiederaufbaus in El Salvador
Wir setzen auf kollektive Eigentumsformen
Interview zu dem "Plan für nationalen Wideraufbau"
Wem soll der "Plan für nationalen Wiederaufbau" zugute kommen?
Vor allem den am stärksten vom Bürgerkrieg Betroffenen, also Flüchtlingen, Umgesiedelten und ehemaligen Kämpfern beider Seiten. Insgesamt sollen 800.000 Personen von dem Plan profitieren, darunter 15.000 FMLN-Mitglieder. Die Geberländer sagten 800 Millionen Dollar zu.
Was ist das Ziel des Wiederaufbauplanes?
Er soll die soziale und ökonomische Entwicklung in den vom Krieg besonders betroffenen Gebieten fördern, die Ursachen des Konfliktes überwinden helfen. Deshalb sind umfangreiche Investitionen vorgesehen zugunsten der Partizipationsmöglichkeiten für die Bevölkerung, für Landneuverteilung, Fortbildung, Häuserbau und Kriegsopferbetreuung, denn die Wiedereingliederung der FMLN-Kämpfer sollte dem Friedensprozeß Stabilität verleihen. Der Plan war auf fünf Jahre angelegt. Bisher ist das Investitionsniveau jedoch sehr gering. Außerdem entspricht die Regierungspolitik nicht den Prioritäten des Plans.
Wo setzt denn die Regierung ihre Prioritäten?
Ihr geht es um Steigerung der Produktivität im agro-industriellen Sektor, also um Straßenbau, Elektrifizierung sowie Modernisierung von Häfen und Flugplätzen. Für den Wiederaufbau des Stromnetzes wurden allein 240 Millionen Dollar veranschlagt. Zwar ist die Finanzierung bisher minimal, doch das Projekt zeigt deutlich, worum es der Regierung geht.
An welche Organisationen fließen die Gelder?
Laut Regierung sollen Nicht-Regierungsorganisationen den Großteil bekommen. Aber selbst diejenigen, die seit Jahren präsent sind, haben bisher kein Geld gesehen.
Wie sieht denn das Alternativkonzept der FMLN aus?
Wir denken, die Investitionen sollen es der Bevölkerung ermöglichen, über das bloße Subsistenzniveau hinauszukommen. Die Basisbewegungen sollten dabei Motor der ökonomischen Entwicklung werden. Vor allem in der Landwirtschaft setzen wir auf kollektive Eigentumsformen, schon allein aus Gründen der ökonomischen Realisierbarkeit. Nur so können wir die Bodennutzung kohärent planen, ein regionales Produktions- und Verkaufssystem aufbauen.
Wieviele Leute sollen denn Land bekommen und wann?
Das mit Regierung und UNO erarbeitete Landvergabeverfahren hätte im Juni beendet sein sollen, bisher wurden jedoch nur ein paar staatliche Grundstücke vergeben. Das Programm wird sicher noch bis 1994 dauern. Insgesamt sollen 25.000 Zivilisten, 15.000 ehemalige Armeeangehörige und ca.7.500 Ex-Guerilleros Land erhalten.
Die Großgrundbesitzer und die Armee üben aber Druck aus, damit an FMLN-Angehörige kein Privatland verkauft wird ...
... oder sie verlangen schwindelerregende Preise. Wir wollen eine Lösung finden, die auf die finanziellen Möglichkeiten der Ex-Guerilleros eingeht und die Preise des freien Marktes berücksichtigt. Hier sind wir optimistisch, auch wenn die Regierung bisher Investitionen in unseren Einflußgebieten aus ökonomisch-wahltaktischen Gründen vernachlässigt.
In der jetzigen Übergangsphase wird die Regierung kaum ihre neoliberale Wirtschaftspolitik verändern. Wie wird die FMLN damit umgehen?
In unserer Strategie für den Kampf um die Macht ist die sozio-ökonomische Entwicklung ein wichtiger Aspekt, d.h. regionale Projekte plus Aufbau eines Wirtschaftsblocks der einfachen Leute, der zwar erstmal nicht mit dem privatkapitalistischen Sektor konkurrieren kann, jedoch den Kampf um die politische Macht beeinflussen wird. Nach Umfragen bewerten 83 Prozent die ökonomische Situation des Landes genauso oder schlechter als vor der Rechts-Regierung. Viele fragen sich, ob die FMLN eine Alternative anbieten kann. Daher versucht die Regierung, die Projekte in den von der FMLN gehaltenen Gebieten zum Scheitern zu bringen.
Man verweigert Kredite, technischen Beistand, Fortbildung usw., damit der Kleinbauer, der vom Großgrundbesitzer Land erworben hat, es ihm nach einem Jahr wieder verkaufen muß.
Ja. Einen Wirtschaftsblock der einfachen Leute zu gründen, ist eben kein kurzfristiges Ziel, das läßt sich vielleicht in einem Jahrzehnt erreichen. Wichtig ist erst einmal, die Basis dafür zu legen.
Wer arbeitet auf Regierungsseite im "Plan für nationalen Wiederaufbau?"
Die Leitung hat Norma Dowe, Ex-Direktorin eines Projektes der US-Entwicklungsbehörde AID, das die soziale Basis der FMLN zu untergraben versuchte. Uns hat die Zusammenarbeit mit der Regierung gezeigt, daß sie vom Wiederaufbauplan nur eine Kompensation für die sozialen Kosten ihres neoliberalen Wirtschaftskonzeptes erwartet.
Von wem wird die Regierung dabei unterstützt?
Vor allem von landwirtschaftlichen Exportproduzenten, die den Friedensprozeß immer noch boykottieren. Viele Unternehmer in Handel und Industrie wollen aber den Kapitalismus in El Salvador modernisieren und teilen die Vorstellung von einer zivilen Regierung, von Demokratisierung und Professionalisierung der Armee. Die in unserer Wahlplattform vorgeschlagenen Lösungen kommen zwar breiten Schichten der Bevölkerung zugute, sind aber auch für Unternehmer gangbar.
Wenn die Lösungen, wie Sie sagen, auch für Unternehmer akzeptabel sind, dann kann es sich aber kaum um ein sozialistisches Projekt handeln...
Unser Programm ist der Kampf um eine demokratische Revolution als Weg zum Sozialismus, nicht dessen sofortiger Aufbau. Es geht uns um die Konsolidierung des Überganges zur Demokratie, um auf dieser Grundlage eine Entwicklung zu entwerfen, deren Motor breite Bevölkerungsschichten darstellen.