Kolumbiens neuer Präsident will mit der Guerilla lediglich über Entwaffnung reden
Samper kennt nur ein Verhandlungsziel
UN-Hochkommissar für Menschenrechte José Ayala Lasso traf sich während eines Besuchs in Kolumbien mit dem neuen kolumbianischen Präsidenten Ernesto Samper sowie Vertretern von Menschenrechtsgruppen. Danach verkündete der Ekuadorianer, der es während seiner Zeit als Außenminister mit den Menschenrechten im eigenen Land auch nicht so genau nahm, daß Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien "zum Alltag gehören". Sie würden "vor allem von der Guerilla, aber auch von den Streitkräften des südamerikanischen Landes, ständig begangen".
Die Betroffenen sehen das anders. Während der Visite des Hochkommissars führten kolumbianische Menschenrechtsgruppen und europäische Hilfsorganisationen eine "Menschenrechtswoche" durch und forderten u. a. die Einsetzung einer von der UNO unterstützten unabhängigen Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und die Auflösung von paramilitärischen Verbänden. Selbst kirchliche Organisationen wie Misereor und Brot für die Welt nannten die Situation in Kolumbien "schlimmer als unter der Pinochet-Diktatur in Chile" und forderten die Ernennung eines UN-Sonderberichterstatters für Kolumbien. Doch die kolumbianische Regierung verbittet sich nach wie vor "jede Einmischung".
Für den Terror in Kolumbien sind vor allem die Todeschwadronen verantwortlich. Sie rekrutieren sich häufig aus Polizisten und Soldaten und werden von Großgrundbesitzern finanziert. Von den über 5 000 Mitgliedern, die die 150 paramilitärischen Verbände laut kolumbianischer Regierung haben sollen, ist bis heute nicht einmal ein Dutzend vor Gericht gestellt worden, obwohl sie laut Menschenrechtsorganisationen gemeinsam mit Militärs und Polizei von 1986 bis 1993 für den Tod von über 20 000 Menschen verantwortlich sind. Dabei handelte es sich neben Gewerkschaftern und Menschenrechtlern vornehmlich um Einwohner ländlicher Gebiete, die von ihnen als soziale Basis der Guerilla ausgemacht wurden.
So sind auch die Aussichten auf Frieden gering. Der kolumbianische Präsident Ernesto Samper, seit knapp fünf Monaten im Amt, wiederholt zwar ständig seine vermeintliche Verhandlungsbereitschaft, doch bisher sind lediglich die in der Guerilla Koordination Simón Bolívar" zusammengeschlossenen Guerilla-Gruppen darauf eingegangen. Für die seit über 30 Jahren aktiven marxistischen Revolutionären Streitkräfte, die guevaristische Nationale Befreiungsarmee und die Reste der ehemals maoistischen Volksbefreiungsarmee – sie haben zusammen etwa 15 000 Mann unter Waffen – kann es Frieden nur im Zusammenhang mit einer Landreform, einer Änderung des Wirtschaftssystems, einer Entmilitarisierung, einer Bildungsreform und Verbesserungen der Gesundheitsversorgung geben.
Präsident Samper hingegen kennt nur ein Verhandlungsziel: die Entwaffnung der Guerilla. Gespräche über andere Punkte lehnt er ab. Auch hat er vor wenigen Wochen erst mit General Harold Bedoya und General Rozo Serrano zwei ausgesprochene Hardliner gegenüber der Guerilla an der Spitze von Heer und Polizei postiert. Ökonomisch führt Samper weiter ein hartes neoliberales Programm durch, welches zwar zur Entstehung einer relativ wohlhabenden Schicht mit westeuropäischem Lebensstandard geführt, den Großteil der Bevölkerung jedoch in noch größeres Elend als bisher gestürzt hat.