Interview mit Claudia Barron, Direktorin in der Linksregierung von Mexiko-Stadt

Feminismus in der Hauptstadt?

Sie kommen aus der feministischen Bewegung. Befinden Sie sich nicht in dem Widerspruch, einerseits das Fraueninstitut und andererseits eine Bewegung zu repräsentieren und zum Dritten vielleicht auch noch die die Stadt regierende linke Partei der demokratischen Revolution (PRD)?

Ich identifiziere mich sowohl mit der Institution als auch mit der Bewegung – auch wenn es manchmal unterschiedliche Positionen gibt. Mit der PRD nicht, ich bin auch kein Parteimitglied. Dennoch hege ich natürlich sowohl für das Programm wie für viele Leute in der PRD Sympathien. Ich stehe aber mehr für die Arbeit des Instituts und die Ziele der feministischen Bewegung.

Was sind die konkreten Aufgaben des Fraueninstituts?

Zwei Aufgaben sind zentral. Zum einen wollen wir die Frauen in Mexiko-Stadt – vor allem die mit geringen Einkommen – fördern. Ihr Potenzial, sich am sozialen und politischen Leben zu beteiligen, soll ebenso verbessert werden wie ihre Existenzgründungsmöglichkeiten. Damit soll ihre Stellung, angefangen von der Demokratisierung in der Familie über die Partizipation im Stadtteil bis hin zur Stadtregierung und der mexikanischen Regierung aufgewertet werden. Die zweite zentrale Aufgabe besteht darin, die Genderpolitik zur Querschnittsaufgabe aller Ministerien und Bereiche in dieser Stadtregierung zu machen.

Wie viel Raum gibt es denn für feministische Politik, wenn wie im Moment »Austerität« einer der wichtigsten Begriffe in der Stadtpolitik zu sein scheint?

Als Institut waren wir von der Sparpolitik eigentlich nicht betroffen. Unser Haushalt für dieses Jahr wurde zwar von 47 Millionen Peso (ca. 6 Millionen Euro) auf 44 Millionen Peso gekürzt, doch gleichzeitig mit einer Zusatzfinanzierung von 15 Millionen Peso (ca. 2 Millionen Euro) bedacht – zehn Millionen davon sind übrigens für die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NRO) gedacht. Auch in anderen Bereichen sieht es ähnlich aus, etwa im Gesundheitssektor, in dem viele Programme spezifisch auf Frauen zugeschnitten sind. Dieser Bereich wurde als prioritär bezeichnet und war von den Kürzungen nicht betroffen.

Gibt es denn Sektoren der Frauenbewegung, die die Arbeit des Instituts stärker kritisieren oder nicht mit dem Institut zusammen arbeiten wollen?
Die wichtigste Scheidelinie im Feminismus in Lateinamerika und auch in Mexiko während der vergangenen Jahre war zwischen dem so genannten »autonomen Feminismus« und dem »institutionellen Feminismus«, der stärker an der Zusammenarbeit und dem Wirken auf und in Institutionen orientiert ist. Ich selbst komme aus dem »institutionellen Feminismus«, habe aber viele gute Freundinnen, die aus dem »autonomen Feminismus« kommen und teile auch viele ihrer Positionen. Der »autonome Feminismus« ist in Mexiko aber nicht sehr repräsentativ und die allermeisten feministischen NRO arbeiten mit dem Institut zusammen. Aber natürlich gibt es auch kritische Sichtweisen und ich halte das für wichtig und bereichernd, gerade wenn du in einer institutionellen Tätigkeit steckst.

Häufig saugen linke Regierungen AktivistInnen aus Bewegungen und NRO auf und integrieren sie in die Institutionen, so dass die Bewegungen an Kraft verlieren. Wie ist das in Mexiko?

In der Hauptstadt trifft das auf alle Fälle zu. Viele Leute aus Bewegungen und NRO arbeiten mittlerweile in der Stadtregierung. Meine NRO »Mujeres Trabajadoras Unidas« (Vereinte arbeitende Frauen), in der ich seit 1988 aktiv war, ist zum Beispiel fast nicht mehr existent. Eine Genossin unserer Gruppe wurde »delegada« (eine Art Bürgermeisterin) eines Stadtbezirks und sie hat natürlich für bestimmte Aufgaben Frauen gesucht, zu denen sie ein großes Vertrauen hatte und mit denen sie gut arbeiten konnte. Viele NRO aus der Frauenbewegung sind so stark ausgedünnt worden – dasselbe ist mit vielen Menschenrechtsorganisationen geschehen.

Kommt damit nicht die Basis abhanden, deren gesellschaftlicher Druck benötigt wird?

Ja, das stimmt. Aber ich glaube, das Problem liegt vorwiegend darin, dass wir als Organisationen nicht gelernt haben, unsere Basis zu erweitern, sondern immer mit den gleichen Leuten gearbeitet haben und wenn dann die Leute weggehen, die immer da waren, bricht die Arbeit zusammen. Das sollte nicht so sein und da gilt es in Zukunft anzusetzen.
Fragen: Dario Azzellini


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