FSLN-Kämpferin und Ex-Gesundheitsministerin Dora Maria Tellez
Die Landreform blieb bisher unangetastet
Dora Maria Tellez gehörte 1978 zu dem Kommando, das den Nationalpalast besetzte und sandinistische Gefangene aus den Somoza-Kerkern freipresste. Nach der Revolution Gesundheitsministerin, steht sie heute für Erneuerung und Öffnung der FSLN.
Dario Azzellini fragte sie:
Wie ist die Lage im medizinischen Bereich in Nikaraguas nach zwei Jahren U.N.O.-Regierung?
Die medizinische Versorgung hat sich verschlechtert. Die Kindersterblichkeit nimmt zu, ansteckende Krankheiten werden häufiger. Die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens hat wegen finanzieller Kürzungen abgenommen. Durch Massenentlassungen sank die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich um 4.000 auf 19.000.
Was ist aus der sandinistischen Landreform geworden?
Juristisch werden die Besitztitel der Landreform nicht angezweifelt. Zwar üben ehemalige Besitzer immer wieder Druck aus, doch Boden, den die Bauern im Zuge der Reform bekommen haben, wird nicht zurück gegeben.
Anders steht es um staatseigenes Land: Ein Teil wurde an Ex-Contras und Ex-Armeeangehörige vergeben, ein anderer den Arbeitern in Selbstverwaltung zugesprochen und ein weiterer, kleinerer ehemaligen Besitzern rückübereignet.
Welche Position vertritt die FSLN in dieser Angelegenheit?
Die Haltung der FSLN ist eindeutig: Die Regierung muß sich an die Gesetze halten. Die Bauern haben ihren Boden laut gültigem Gesetz bekommen, auch wenn dieses Gesetz mittlerweile wieder abgeschafft worden ist. Die Verfassung besagt, dass Rechte der Bevölkerung nicht durch nachfolgende Regierungen rückgängig gemacht werden können. Beim Staatseigentum stehen wir für das Vorrecht der Arbeiter bei der Privatisierung staatlicher Betriebe. Und: An Somozisten darf nichts zurückgegeben werden.
Wie beurteilen Sie die Perspektiven Nikaraguas?
Die Entwicklung wird davon abhängen, ob es gelingt, die positiven Errungenschaften der Revolution zu bewahren. Die Landreform, die politische Transformation und die von der FSLN-Regierung geschaffenen demokratischen Strukturen werden von der Mehrheit der Bevölkerung positiv beurteilt. Trotz der miserablen ökonomischen Lage bin ich optimistisch, wenn es gelingt die Diskussion um die Gestaltung Nikaraguas unter umfassender Teilnahme der Bevölkerung zu führen. Wenn sich allerdings die extremen Rechten durchsetzen, steht Nikaragua eine düstere Zeit bevor. Denn die Rechten wollen die demokratischen Strukturen zerschlagen, die Errungenschaften der Revolution abschaffen und Rache nehmen an den Sandinisten.
Dank für die Vermittlung des Gesprächs ani die Städtepartnerschaft Kreuzberg – San Rafael del Sur