Nikaragua: Hospital "Carlos Marx" auf Druck Bonns umbenannt
Der lange Arm der Namensträger
Die hiesige Umbenennungswut kennt gegenwärtig keine (Staats-)Grenzen mehr. Nicht nur, daß in der Ex-DDR versucht wird, jedes Wort, das auch nur entfernt mit "Sozialismus" in Verbindung gebracht werden könnte, aus dem Straßenbild zu entfernen. Nein, der lange Arm der Namensjäger reicht gar bis nach Managua. In Nikaraguas Hauptstadt mußte nun das einstige Musterprojekt der DDR-Entwicklungspolitik, das "Hospital Carlos Marx", daran glauben.
Ganz nebenbei verkündete Staatspräsidentin Violeta Chamorro bei einem Höflichkeitsbesuch in der Klinik die Umbenennung in "Deutsch-Nikaraguanisches Krankenhaus". Alle Angestellten wurden davon überrascht. Selbst die deutschen Mitarbeiter des Hospitals, die von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) bezahlt werden, waren zuvor nicht informiert worden.
Eine Umbenennung hatte sich indes schon längere Zeit abgezeichnet. Bereits 1992bekam in Jinotepe die ehemalige DDR-Ausbildungsstätte für technische Berufe "Ernst Thälmann" einen anderen Namen. Im Vorfeld hatte ein bundesdeutscher Beamter für einen Eklat gesorgt, als er sich bei einem Besuch der Schule über deren Namen mokierte und einen Tisch bestieg, um
eigenhändig ein erspähtes DDR-Fähnchen zu entfernen.
Das "Hospital Carlos Marx" genießt einen hervorragenden Ruf in der Bevölkerung. Nach der deutschen "Wiedervereinigung" wurde es im Januar 1991 von der eng mit dem Bonner Entwicklungshilfeministerium zusammenarbeitenden GTZ übernommen. Diese strich im Laufe der Zeit die Unterstützung drastisch zusammen und entließ den Großteil des deutschen Personals. Von den 33 Beschäftigten zur Zeit der Übernahme waren zu Beginn dieses Jahres nur noch fünf übrig nur einer stammt noch aus der Ex-DDR. Apotheker, Krankenschwestern, Laborantinnen und Optiker wurden im Laufe der Zeit entlassen. Von einst acht Ärzten sind noch drei beschäftigt, von den ehemals sechs Technikern ein einziger.
Dennoch kam der Zeitpunkt der Umbenennung überraschend, da nicht einmal eine schriftliche Vereinbarung getroffen worden war. Das Entwicklungsministerium hatte wohl vor allem eine von ihm bestellte Selbstdarstellung des Hospitals erregt. Nicht genug, daß darin dem "Genossen Carlos" ein eigenes Kapitel gewidmet wurde, für die BRD-Behörde war auch die DDR zu positiv dargestellt. Und daß sich Klinikdirektor Freddy Meynard auch noch neben der Büste des Philosophen ablichten ließ, war für Bonn offenbar zuviel. Das Bonner Ministerium übte Druck auf die Regierung Nikaraguas aus: Die Umbenennung des Hospitals, so ließ man durchklingen, würde die Beziehungen zwischen beiden Ländern verbessern.