Arnoldo Alemán wegen Korruption angeklagt
Nicaragua: Ex-Präsident Immunität entzogen
Schließlich hatte es doch noch geklappt: Arnoldo Alemán, ehemaliger und korrupter Präsident Nicaraguas, kann nicht länger auf politische Immunität pochen. Denn die wurde ihm nach einer turbulenten sechsstündigen Sitzung der Nationalversammlung entzogen. Alemán wird in zahlreichen Fällen in Nicaragua wie in den USA wegen Korruption angeklagt und soll über 100 Millionen US-Dollar aus den Staatskassen für sich und seine Familie abgezweigt haben. Zusammen mit 35 weiteren, ihm treuen Abgeordneten verließ Alemán bereits vor der Abstimmung aus Protest den Saal.
Der neue Präsident Nicaraguas, Enrique Bolaños von der liberalen Partei PLC, wiewohl Parteikollege von Alemán, hat sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben. Bolaños hatte sich bei den letzten Wahlen im November 2001 überraschend gegen den sandinistischen Dauerkandidaten und Ex-Präsidenten Daniel Ortega durchsetzen können. Zuvor hatte er sich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Antikorruptionskommission vor allem durch Untätigkeit hervorgetan. Um so überraschender ist diese schließlich von Bolaños, einem Konservativen der alten Schule, eingeleitete Abrechnung; zumal auch Bolaños' eigenen ökonomischen Interessen eng mit denen des Ex-Präsidenten Alemán verknüpft sind. Dieser hatte sein Vermögen im Laufe seiner Regierungszeit zwischen 1997 und 2001 mit unsauberen Geschäften auf etwa 250 Millionen US-Dollar mehren können.
Doch Alemán konnte mit Hilfe der ihm ergebenen Abgeordneten während des gesamten vergangenen Jahres die Aufhebung seiner Immunität verhindern. Die Abgeordneten der linken FSLN und einige wenige aufrechte Parteigänger des Präsidenten Bolaños brachten keine einfache Mehrheit zustande. Erst als kürzlich ein Nachrücker der PLC seinen Sitz einnahm und zudem bereit war, gegen Alemán zu stimmen, hatte man die notwendigen 47 Stimmen für die Aufhebung der Immunität beisammen. Unmittelbar nach der Entscheidung verfügte eine Richterin einen Haftbefehl, und Alemán wurde in seiner luxuriösen Residenz unter Hausarrest gestellt.
Erst im September hatte eine Richterin das Parlament aufgefordert, den beiden Abgeordneten Arnoldo Alemán und seiner Tochter Maria Dolores Alemán die Immunität abzuerkennen. Nachdem es Bolaños und der ihn in dieser Frage unterstützenden Sandinistischen Ex-Regierungspartei FSLN gelungen war, die ausnahmslos mit Alemán-Getreuen besetzte formale Leitung der Nationalversammlung auszuwechseln, wurde das Verfahren eingeleitet, das jetzt endlich mit denkbar knapper Mehrheit die Aufhebung der Immunität ermöglichte.
Obwohl die Liste der Anklagen gegen Alemán stets weiter wächst und Konten, Anwesen und Ländereien von ihm und seiner Familie in Panama und den USA beschlagnahmt wurden, stehen seine Partei und die Führungsriege der katholischen Kirche in Nicaragua unter dem stramm rechten Kardinal Obando y Bravo geschlossen hinter Alemáns Familienclan.
Dabei ist Nicaragua laut Vereinten Nationen das lateinamerikanische Land mit der größten sozialen Ungleichheit. 40% der Bevölkerung der Hauptstadt Managua, in der über ein Drittel der Gesamtbevölkerung lebt, haben weniger als einen Euro täglich zur Verfügung. Auf dem Land ist die Situation noch gravierender. In den vergangenen Jahren sowieso wiederholt von Naturkatastrophen heimgesucht, litt Nicaragua in den letzten beiden Jahren außerdem unter einer schrecklichen Dürre. Über eine halbe Million Kleinbauern verloren zwischen 50 und 100% ihrer Ernte. 700.000 der etwa fünf Millionen EinwohnerInnen Nicaraguas gelten als unterernährt. Der weltweite Fall der Kaffeepreise hat dazu geführt, dass die Kaffeeunternehmer ihre Felder brachliegen lassen. In manchen Gegenden werden die LandarbeiterInnen seit zwei Erntezyklen nicht mehr beschäftigt. Einkommensalternativen gibt es nicht. Stattdessen lassen die Banken das Land der verschuldeten Kaffeeproduzenten räumen, um es zu verkaufen. Dabei werden auch die Familien der ArbeiterInnen vertrieben, die seit Jahrzehnten auf den Grundstücken leben und dort eine Hütte und ein kleines Stück Land besitzen, auf dem sie einige Grundnahrungsmittel anbauen.
Dafür hat die nicaraguanische Regierung auch unter Bolaños keine Lösung. So ist der werbewirksam angesagte Kampf gegen die Korruption nicht zuletzt auch eine willkommene Ablenkung.