Überraschte Opposition

VENEZUELA: WENIGER GELD FÜRS MILITÄR

Präsident Chávez will die Sozialausgaben erhöhen, die Umtriebe gegen seine Regierung gehen weiter.

Vierzig Prozent weniger Geld für das Militär im laufenden Jahr, dies kündigte der venezolanische Präsident Hugo Chávez an. Das eingesparte Geld soll, wie Planungsminister Felipe Pérez Mitte Juni mitteilte, in Sozialprogramme zur Armutsbekämpfung fliessen. Die Ankündigung kommt überraschend, vor allem für die oppositionellen Kräfte. Diese werfen Chávez seit seinem Amtsantritt vor, er wolle das Land militarisieren und die Streitkräfte politisieren.

Genau das scheint jedoch die Opposition zu tun. Seit einigen Wochen zirkulieren in den Medien Videos und Erklärungen einer Untergrundgruppe, die in Anspruch nimmt, für «grosse Teile der Streitkräfte und das Volk» zu sprechen. In den Videos treten die Mitglieder der Gruppe maskiert auf. Sie fordern den Rücktritt des Staatspräsidenten und drohen, die in den bolivarischen Komitees organisierten Chávez-Anhänger anzugreifen. Die letzte Untergrunderklärung gipfelte im Vorwurf, Chávez würde unter der Hand die regulären Streitkräfte in ihm treu ergebene «bolivarische Milizen» umwandeln. Dies würde nach «kubanischer Ideologie» erfolgen und durch die linke Guerilla Kolumbiens gestützt. Auch der Präsidentschaftskandidat der Linken in Brasilien, Luiz Ignacio «Lula» da Silva, sei Teil eines von Chávez eingefädelten, grösseren südamerikanischen Komplotts.

In der spanischsprachigen Ausgabe des US-amerikanischen Fernsehsenders CNN läuft seit Monaten eine Kampagne gegen Chávez. Der Sender wird in beiden Hälften Amerikas ausgestrahlt. Kaum eine Stunde vergeht, ohne dass auf «Misswirtschaft und Krise» in Venezuela hingewiesen wird. Immer neue Mitglieder der Opposition erhalten über CNN die Möglichkeit, redaktionell ungeprüft ihre Anti-Chávez-Propaganda zu verbreiten. Dabei ist das Prestige von Chávez in Venezuela seit dem vereitelten Putsch vom April deutlich gewachsen. Die Opposition hat stark an Glaubwürdigkeit verloren. Nach Umfragen des privaten Meinungsforschungsinstituts Consultores 21 beurteilten im Juni 53 Prozent der VenezolanerInnen die Politik der Regierung als positiv und sprachen sich für einen Verbleib Chávez’ im Amt aus. 59 Prozent wünschen sich sogar eine entschiedenere Fortsetzung der eingeleiteten Reformen. In anderen Umfragen liegt die Unterstützung für Chávez sogar bei über 60 Prozent.

Die Opposition ist zahlenmässig geschwächt, auch wenn die von den Anti-Chávez-Kräften dominierten venezolanischen Medien gerne das Gegenteil behaupten. Trotz massiver Propaganda konnten sie am 15. Juni nur einige zehntausend DemonstrantInnen in Caracas mobilisieren, für die Regierung gingen mehrere hunderttausend auf die Strasse. Die Opposition ruft dennoch weiterhin zu «Ungehorsam» auf und kündigte für den 11. Juli eine weitere Demonstration an. In seiner wöchentlichen Radiosendung «Aló Presidente» forderte Chávez unterdessen die Opposition auf, für nächstes Jahr ein Referendum über seinen weiteren Verbleib im Amte einzuleiten und die Bevölkerung demokratisch entscheiden zu lassen.

Nach wie vor gibt Chávez’ schnelle Rückkehr an die Macht Rätsel auf. In den vergangenen Wochen wurden Spekulationen laut, diese sei mit den Regierungen der USA und Spaniens – die die Putschisten unterstützten – ausgehandelt worden. Bestärkt werden die Spekulationen durch die Tatsache, dass die Erdöllieferungen zu Sonderkonditionen an Kuba seit dem Putsch eingestellt wurden. Ausserdem lieferte Venezuela ein mutmassliches Mitglied der baskischen Eta an Spanien aus. Bisher galt Venezuela als ein sicheres Asylland für baskische Flüchtlinge. Kubanische und venezolanische Regierungsvertreter wiegelten wegen der Aussetzung der Erdöllieferungen jedoch ab. Dabei handele es sich um eine rein geschäftliche Angelegenheit. Beide Seiten werfen sich vor, die vertraglich fixierten Leistungen nicht eingehalten zu haben. Mit einer baldigen Einigung und Wiederaufnahme der Lieferungen sei aber zu rechnen.

Währenddessen befindet sich Putschist und Unternehmerpräsident Pedro Carmona, der sich im April selbst zum Präsidenten ausgerufen hatte, in den USA. Angeblich aus rein privaten Gründen. Erst kürzlich gewährte ihm Kolumbien Asyl. Carmona hat ein Visum für die USA erhalten. Präsident Chávez wird dies, mit Hinweis auf einen Putschversuch von 1992 gegen das korrupte Regime von Carlos Perez, bis heute verweigert.