Venezuela rüttelt an den Produktionsverhältnissen. Besetzte Unternehmen, Enteignungen und Arbeitermitverwaltung
Öffentliches Interesse vor Profit
Ende Juli 2005 erklärte Venezuelas Präsident Hugo Chávez in seiner TV-Sendung »Aló Presidente«, daß 136 geschlossene venezolanische Unternehmen derzeit bezüglich der Möglichkeiten einer Enteignung überprüft würden. »Die Existenz geschlossener Unternehmen verstößt gegen die nationale Verfassung. Das ist genauso wie bei brachliegendem Land«, so Chávez. Die Ankündigung erfolgte bei der Wiedereröffnung einer neun Jahre lang geschlossenen Kakaofarm, die von den Arbeitern mit einem Kredit der Regierung gekauft und in die Unión Cooperativa Agroindustrial del Cacao verwandelt wurde. Die Kakao produzierende Kooperative sei ein Beispiel für die neu ausgerufenen Unternehmen sozialer Produktion (EPS), die laut Chávez den Mittelpunkt einer »wirtschaftlichen Wende in Richtung Sozialismus des 21. Jahrhunderts« darstellen. Chávez verlas mehrere Listen mit Unternehmen, die sich im Prozeß der Enteignung befinden bzw. deren Enteignung geprüft werde, weil sie teilweise oder ganz ihre Arbeit eingestellt hätten. Insgesamt betreffe das 1149 Betriebe im Land. Er forderte die Bevölkerung auf, weitere geschlossene Unternehmen zu melden.
Die Verfassung der Bolivarischen Republik Venezuela ermöglicht dem Staat gemäß Kapitel VII, Artikel 115 Enteignungen in bestimmten Fällen. Das Recht auf Eigentum und die Verfügung darüber wird zwar grundsätzlich garantiert, einschränkend heißt es dort jedoch: »Das Eigentum ist den Abgaben, Einschränkungen und Verpflichtungen unterworfen, die das Gesetz mit dem Ziel des öffentlichen Nutzens und im allgemeinen Interesse festlegt. Nur aufgrund bestehenden gesellschaftlichen Interesses, mittels eines rechtskräftigen Urteils und angemessener Zahlung einer gerechten Entschädigung kann die Enteignung jeglicher Art von Gütern erklärt werden.«
Neue Unternehmensformen
Die Besetzungen von Fabriken, die in Folge des Unternehmerstreiks von 2002/2003 geschlossen worden waren, brachten das Thema Enteignungen auf die politische Tagesordnung. Unterstützung fanden die Besetzer vor allem im linken Flügel des Gewerkschaftsdachverbandes Unión Nacional de Trabajadores (UNT), der dem revolutionären Prozeß in Venezuela nahesteht. Die UNT wurde im April 2003 als unabhängiger bolivarischer Dachverband gegründet und war bald schon um ein Vielfaches größer als der oppositionelle Dachverband Confederación de Trabajadores de Venezuela (CTV). Nach langem Zögern der Regierung wurden schließlich erste Enteignungen in die Wege geleitet. Die Enteignung geschlossener Betriebe – mit Entschädigung – wurde dann Teil eines strategischen Plans zur Belebung der nationalen Produktion. Zugleich wurden die enteigneten Unternehmen in der Regel in kollektive Besitzformen überschrieben und erhalten nun staatliche Unterstützung finanzieller und technischer Art. Daraus ergibt sich in den neuen Unternehmensformen die Frage der »cogestión«, der Arbeitermitverwaltung. Auch in staatlichen Unternehmen wird cogestión eingefordert und teilweise bereits eingeführt. Bisher allerdings ohne eine gesetzliche Grundlage, so daß gelegentlich Konflikte zwischen staatlich eingesetzten Direktoren und der Belegschaft bezüglich der konkreten Umsetzung der Mitverwaltung entstehen.
Obwohl die Verfassung bereits seit dem Jahr 2000 in Kraft ist, gab es bis September diesen Jahres erst zwei Fälle erfolgreich abgeschlossener Enteignungen. Im Januar wurde die Papierfabrik Venepal enteignet und Ende April die Constructora Nacional de Válvulas (CNV), eine Fabrik, die Ventile für die Erdölindustrie herstellt. Doch seit Juli begann die Regierung ein besonderes Augenmerk auf die Situation geschlossener Betriebe zu richten. Ende September erklärte die Nationalversammlung die Zuckerrohrverarbeitungszentrale von Cumanacoa und Sidororca, einem Rohrhersteller für die Erdölindustrie, zu Betrieben »von gesellschaftlichem Interesse« und leitete damit die Enteignung der Unternehmen ein. Die Arbeitsministerin María Cristina Iglesias rief noch im September Arbeiter und ehemalige Beschäftigte der von Chávez aufgelisteten Unternehmen dazu auf, diese »zurückzuerobern«, denn nur so könne die Abhängigkeit Venezuelas überwunden werden. Die Wirtschaft des Landes war in den vergangenen Jahrzehnten einseitig auf den Erdölexport ausgerichtet worden, die meisten Verbrauchsgüter sowie 70 Prozent der Lebensmittel mußten unterdessen importiert werden.
Die UNT erklärte, sie unterstütze das Vorgehen der Regierung und bereite einen Antrag an die Nationalversammlung mit der Forderung vor, bei 700 Betrieben ein »allgemeines öffentliches Interesse« festzustellen, damit diese enteignet und von den Arbeitern in Mitverwaltung reaktiviert werden könnten. Die UNT kündigte auch an, 800 geschlossene Unternehmen zu besetzen. Darunter seien auch verschiedene Produktionsanlagen des nach einem Finanzskandal in Konkurs gegangenen italienischen Milchmultis Parmalat und des US-amerikanischen Ketchup-Produzenten Heinz. »Angesichts der Angriffe des Neoliberalismus und Kapitalismus werden wir die Macht der Arbeiter anwenden und jetzt gemeinsam mit den Gemeinden diese Unternehmen besetzen«, so die Gewerkschafterin Marcela Máspero. Und weiter: »Zuerst besetzen wir, dann lösen wir die Eigentumsfrage, denn es gibt immer einen Grund für Besetzungen.«
Anfang September übernahm die Armee die Maisverarbeitungsanlage Promabrasa, die zum größten venezolanischen Lebensmittel- und Bierhersteller Alimentos Polar gehört, nachdem ehemalige Arbeiter das Unternehmen besetzt hatten. Einer parlamentarischen Untersuchungskommission zufolge hatte Polar das Unternehmen gekauft, es anschließend geschlossen und einen Teil der Maschinen nach Kolumbien verlegt, um sich so eine Monopolstellung auf dem venezolanischen Markt zu verschaffen. Ende September schließlich enteignete der Gouverneur des Bundesstaates Barinas per Dekret die Anlagen. Der Marktwert soll den vormaligen Besitzern ausbezahlt werden. Im Rahmen eines Modells der cogestión soll die Fabrik möglichst schnell der aus 160 ehemaligen Beschäftigten bestehenden Kooperative Maiceros de la Revolución zur Verwaltung übergeben werden.
Als Vorbild für die angestrebten Enteignungen gelten die eingangs genannte Papier- und die Ventilfabrik. In beiden Betrieben wurden Arbeitermitverwaltungsmodelle eingeführt; beide befinden sich zu 51 Prozent im Staatsbesitz und zu 49 Prozent im Besitz einer aus allen Beschäftigten bestehenden Kooperative. Präsident Chávez enteignete am 19. Januar 2005 per Dekret den gesamten Besitz von Venepal. Zugleich wurde dort ein Modell der cogestión eingeführt. Ebenso erging es der CNV, die sich zuvor im Besitz von Oppositionsführer Andrés Sosa Pietri befand, dem ehemaligen Direktor des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA. Sie wurde während des »Unternehmerstreiks« 2002/2003 geschlossen, anschließend sollte sie umstrukturiert und wieder eröffnet werden – allerdings verbunden mit einer starken Lohnsenkung und der Streichung von Abfindungen für die Entlassenen. Die Arbeiter lehnten diese Pläne ab, 63 von ihnen besetzten daraufhin den Betrieb. Das Arbeitsministerium ordnete die Wiedereinstellung der Entlassenen und Auszahlung der einbehaltenen Löhne an, was der Besitzer jedoch ignorierte. In dieser festgefahrenen Situation gaben die Arbeiter die Besetzung Ende 2004 auf. Nach der Enteignung von Venepal besetzten sie Mitte Februar das Werk erneut, woraufhin es schließlich Ende April enteignet wurde. Zur Unzufriedenheit der Arbeiter geschah allerdings in den ersten Monaten nicht besonders viel; erst seit dem 1. Juli erhalten alle vom Staat einen dem Mindesteinkommen entsprechenden Lohn. Inzwischen hat das in Invepal umbenannte Unternehmen die Produktion wieder voll aufgenommen.
Der Versuch einer Steigerung der nationalen Produktion, vor allem für den Binnenmarkt, beschränkt sich allerdings nicht auf Enteignungen oder Förderungen für Privatunternehmen. Kooperativen erhalten Kredite zu sehr niedrigen Zinssätzen, um geschlossene Unternehmen zu kaufen, kleine Kooperativen sogar zinslose Darlehen. Teilweise unproduktiven Unternehmen mit ökonomischen Problemen wird ebenfalls staatliche Unterstützung angeboten. Chávez forderte die betreffenden Eigentümer unlängst auf, sich beim Staat zu melden, um die Möglichkeit einer Reaktivierung ihrer Betriebe zu eruieren. Über ein Sonderprogramm der Regierung haben sie – ebenso wie Unternehmer, die neue Arbeitsplätze schaffen – Zugang zu günstigen Krediten, wenn der Betrieb ein Modell der Arbeitermitverwaltung einführt, das den Arbeitern eine Beteiligung an der Leitung und den Gewinnen einräumt. Angaben der Arbeitsministerin Iglesias zufolge sei bereits in 155 Fällen eine Einigung auf ein Modell der cogestión erfolgt.
Prinzip soziale Gleichheit
Die cogestión beruht auf den sozialen Bürgerrechten und der sozialen Gleichheit als Ziel der Gesellschaftsordnung (mit dem Staat als Garanten), wie sie in der neuen Verfassung festgelegt wurden. Sie ist Teil der »partizipativen und protagonistischen Demokratie«, d.h. der Staat wird als partizipativer Raum verstanden, in dem die Bevölkerung mittels diverser Instrumente das öffentliche Leben mitgestaltet und die Institutionen kontrolliert. Aufgrund der noch fehlenden gesetzlichen Grundlage werden diverse Mitbestimmungsmodelle diskutiert und praktiziert. Umgesetzt wird sie vor allem seit Anfang 2005 in Staatsbetrieben. In dem staatlichen Aluminiumproduzenten ALCASA reicht das Mitbestimmungsrecht bis hin zur Wahl des betriebsinternen Leitungspersonals auf Arbeiterversammlungen.
José Khan, UNT-Vertreter und Abgeordneter der Regierungskoalition, erklärte im August, daß 88 Unternehmen das von der Regierung vorgeschlagene cogestión-Modell, das ein kollektives Arbeitereigentum von 49 oder 51 Prozent vorsieht, bereits eingeführt hätten. Die Hotelkette Tamarata sei sogar zu 100 Prozent selbstverwaltet. Die Betriebe müßten alle sozial agieren und zehn Prozent ihrer Gewinne in einen lokalen Entwicklungsfonds einzahlen. Allerdings gibt es viele Unternehmen mit Minderheitsbeteiligung der Arbeiter. Der Vorsitzende der Kammer der kleinen und mittleren Industrie zweier Bezirke im Bundesstaat Miranda verkündete im August, 22 Unternehmen vor Ort befänden sich in Verhandlungen, um eine cogestión einzuführen; bis Ende des Jahres könnten es 40 sein.
Beschäftigte wählen Leitung
In der bisherigen Praxis wurde ein Dilemma der Mitverwaltung deutlich: Während viele Privatunternehmer, zum Teil aber auch die Leitung von Staatsbetrieben, die cogestión in der Logik einer Sozialpartnerschaft sehen, als ein Mittel, Konflikte zu vermeiden, Arbeitsplätze zu schaffen und die Produktion zu steigern, sieht die UNT darin eine Etappe des Transformationsprozesses, einen Zwischenschritt zu einer zukünftigen Arbeiterkontrolle der Unternehmen.
Im Mai 2005 wurde aus den Reihen der UNT ein Gesetzentwurf zur Regelung der Mitverwaltung in der Nationalversammlung eingereicht. Dieser sieht vor, daß die Arbeiter »Zugang haben zu den operativen, juristischen und finanziellen Unterlagen« des Unternehmens, mit dem Ziel, eine »korrekte und effiziente Arbeitsweise« zu garantieren. Als kollektive Entscheidungsorgane sind Arbeiterversammlung, Teilhaberversammlung, Verwaltungskomitees und ein mindestens zur Hälfte mit Arbeitern besetztes Direktorium vorgeschlagen. Kritik an dem Entwurf kam von Sintralcasa, der Gewerkschaft der ALCASA-Arbeiter, die in ihrem Betrieb das bisher weitgehendste cogestión-Modell praktizieren. Sintralcasa kritisiert das Gesetz als hinter den ALCASA-Errungenschaften zurückbleibend.
Die Regierung strebt an, möglichst noch in diesem Jahr ein Gesetz als klaren Rahmen für die Mitverwaltung zu verabschieden. Bisher unterscheidet sich diese in verschiedenen Unternehmen stark. So stellt z. B. ALCASA, das zweitgrößte Aluminiumwerk Venezuelas, eine Art Versuchsobjekt der Regierung in Sachen cogestión dar. Das in Guayana im Bundesstaat Bolivar gelegene Werk gehört zum staatlichen Basisindustrie-Konglomerat Corporación Venezolana de Guayana (CVG), welches aus 13 Unternehmen mit mehr als 18000 Beschäftigten in fünf südöstlichen Bundesstaaten besteht. ALCASA untersteht dem von Víctor Álvarez geführten Ministerium für Basisindustrien und Minen, einem Vertreter einer sehr weitgehenden cogestión, der in der Arbeitermitverwaltung ein Mittel sieht – so seine Worte –, »dem Staatskapitalismus einen Stoß zu versetzen«. Mitte Februar dieses Jahres wurde der Ex-Guerillero und marxistische Soziologe Carlos Lanz von der Teilhaberversammlung ALCASAs zum Direktor gewählt. Er führte sofort eine weitgehende Mitbestimmung ein. Ziel ist neben der Demokratisierung des Werkes auch, es wieder produktiv und profitabel zu machen, nachdem der Betrieb 17 Jahre hindurch in Vorbereitung einer Privatisierung in die Ineffizienz und roten Zahlen manövriert wurde.
Die cogestión in ALCASA ist klar als Arbeiterkontrolle des Unternehmens definiert. Die Arbeiterversammlung wurde als höchste Autorität des Werkes festgelegt. Ihr folgen die »runden Tische« der in den Abteilungen gewählten Sprecher, und dann erst kommen die internen Direktoren. Die Arbeiterversammlung beschloß eine Lohnerhöhung von 15 Prozent für die Arbeiter und die Ablösung aller internen Direktoren in den ersten 15 Tagen nach Antritt von Carlos Lanz. Das neue Leitungspersonal wurde von den Arbeitern aus ihrer Mitte gewählt, verdient genauso viel wie sie und ist abwählbar.
Carlos Lanz legt Wert darauf, nicht als »Macher« dargestellt zu werden. Die Initiative sei von den Arbeitern ausgegangen, er habe nur die Verfahrensweisen erleichtert. Die Gewerkschaft betont, es sei ihr Ziel, daß auch der Direktor durch die Arbeiter ernannt werde. Zudem schwebt ihr ein besonderes Modell für die Unternehmensleitung vor, die aus sieben Mitgliedern und sieben Vertretern bestehen soll. Bei letzteren ist an vier Arbeiter, zwei Vertreter der Regierung und einem aus der organisierten lokalen Bevölkerung gedacht. Begründung: ALCASA gehöre nicht den Arbeitern und auch nicht dem Staat, sondern »dem gesamten Volk«. Verschiedene Bildungsmissionen wurden bereits auf das Werksgelände geholt, und es finden politische und ideologische Schulungen statt. Wer glaubte, das Projekt sei zum Scheitern verurteilt, wurde eines Besseren belehrt. Im August gab Carlos Lanz bekannt, die Produktion habe um elf Prozent gesteigert werden können.
Im Konflikt mit dem Staat
Ganz anders stellt sich jedoch die Situation beim staatlichen Stromversorger CADAFE mit seinen etwa 14000 Beschäftigten dar. Dieser erzeugt, überträgt und liefert elektrische Energie; er deckt 70 Prozent des venezolanischen Territoriums ab. Formal wurde die cogestión in CADAFE bereits am 1. April 2001 eingeführt, doch erst nach dem Putschversuch gegen die bolivarische Regierung vom April 2002 begann ein wirklicher Übergang zur cogestión. Im April 2003 wurden schließlich, nach Aufforderung von Präsident Chávez, auch Arbeitervertreter in das Leitungsgremium integriert. Im gesamten Land entstanden in den CADAFE-Filialien auf allen Ebenen »Verwaltungskomitees« der Beschäftigten, an die 400 insgesamt. In ihnen wurden alle Entscheidungen des Unternehmens diskutiert, die getroffenen Beschlüsse waren verbindlich. Das eingeführte Modell brachte eine Erhöhung der Einnahmen ohne Erhöhung der Strompreise, es stieß aber auf den Widerstand der Mehrheit der Unternehmensleitung, da sie nun die Entscheidungsgewalt mit den Arbeitern teilen mußte, was ihre Pläne der Zerstückelung und graduellen Entkapitalisierung des Unternehmens – zur Vorbereitung der Privatisierung des Elektrizitätssektors – durchkreuzte.
Die staatliche Unternehmensleitung reduzierte die Arbeitervertretung im Leitungsgremium auf zwei der fünf Sitze, die zudem nur »Ratschläge« an den Unternehmensdirektor erteilen sollten. Die Leitung widersetzte sich der Einführung einer wirklichen Mitverwaltung mit dem Argument, daß es sich um ein strategisches Unternehmen handele und es daher in Händen des Staates verbleiben müsse. Die vermeintlich einvernehmliche »Arbeitermitverwaltung« verwandelte sich in einen Konflikt. Die UNT-Gewerkschaft Fetraelec begann zu mobilisieren. Die in Fetraelec organisierten Arbeiter fordern jetzt eine Veränderung des Unternehmensstatus hin zu einem neuen Rahmen der cogestión: Veränderungen der Unternehmensstruktur, Abbau der auf Privatisierung orientierten bürokratischen Strukturen und gewählte Vertreter, die auf allen Ebenen des Unternehmens Entscheidungen fällen und an allen Strukturen beteiligt sind, paritätische Besetzung Staat/Arbeiter in der Unternehmensleitung sowie die Einführung von demokratischen Mechanismen, um Funktionäre, die ihren Aufgaben nicht nachkommen, ablösen zu können.
Arbeiter als Unternehmer?
Konflikte über die Art der einzuführenden cogestión gibt es auch in den enteigneten, ehemals besetzen Unternehmen. So etwa in der Ventilfabrik Inveval (Ex-CNV). Als Mitarbeiter des Ministeriums für Basisökonomie ihren Vorschlag für das cogestión-Statut vorlegten, war die von Chávez geforderte Arbeitermehrheit in der Unternehmensleitung nicht enthalten, die Direktoren sollten durch den Staat ernannt werden. Das Statut wurde von der Inveval-Belegschaft abgelehnt. Am 4. August einigten sich Staat und Arbeiter schließlich auf ein Rahmenabkommen. Die genauen Modalitäten sollen in folgenden Verhandlungen zwischen Beschäfigten und Ministerium festgelegt werden.
In der am 19. Januar 2005 per Präsidentschaftsdekret enteigneten Papierfabrik Venepal/Invepal hingegen hat das eingeführte Modell der Arbeitermitverwaltung starke Züge einer Arbeiterkontrolle; die Fabrik ist mittlerweile zu 49 Prozent Eigentum der Belegschaftskooperative Covimpa. Mit einer staatlichen Anschubfinanzierung von umgerechnet etwa vier Millionen Euro begannen die Arbeiter sofort, die Fabrik wieder auf die Produktion vorzubereiten. Der ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende Edgar Peña wurde von der Arbeiterversammlung, die weiterhin über alle Schritte des Unternehmens entscheidet, an die Spitze des aus Arbeiterinnen und Arbeitern bestehenden Direktoriums des neuen Unternehmens gewählt.
Invepal versteht sich als »gesellschaftliches Unternehmen«, es hat seinen Kampf nur mit der breiten Solidarität der örtlichen Bevölkerung durchstehen können. So soll auch ein Teil der Gewinne zum Wohl der Gemeinschaft eingesetzt werden. Mit Gründung der Kooperative sind die Arbeiter zu Betreibern und Teilhabern geworden. Die Gewerkschaft wurde aufgelöst, da ohnehin alle in Covimpa organisiert sind. Doch das wiederum wirft in der UNT neue Fragen auf, denn die cogestión soll schließlich nicht dazu führen, daß sich die Gewerkschaften auflösen und die Arbeiter zu Unternehmern werden.
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