Friedensnobelpreisträger OSCAR ARIAS aus KOSTARIKA über Korruption und Schulden
Gegen den Zynismus des „business is business“
Sie sind in der Anti-Korruptions-Organisation "Transparency International" aktiv. Was versprechen Sie sich davon?
Korruption hat es immer gegeben, und es wird sie weiterhin geben. Wichtig ist aber, daß sich hier erstmals im internationalen Rahmen eine Gruppe ganz ohne finanzielle Motive gegründet hat, um dieses große Problem deutlicher ins gesellschaftliche Bewußtsein zu rücken und der Welt zu zeigen, wo es die stärkste Korruption gibt. Auch wenn wir natürlich keinen absoluten Erfolg erreichen werden, glaube ich aber schon, daß wir den Blick für Machtmißbrauch, die Notwendigkeit von mehr Transparenz im öffentlichen Sektor usw. schärfen können. Wir wollen die Situation so verbessern.
Im Zusammenhang damit sprachen Sie den Medien eine mobilisierende Rolle zu.
Ja, die Medien können zweifellos eine große Rolle bei der Bewußtseinsbildung spielen. Sie zeigenkorrekturbedürftige Punkte auf. Mit Berichten über die Konflikte in dieser Welt werden Menschen nicht nur schlechthin informiert, sie werden oft auch angeregt, sich in Gruppen und Institutionen zu organisieren, um gegen gesellschaftliche Mißstände zu kämpfen. Dies versuchen wir auch mit "Transparency International".
Wo ist die Korruption am größten?
Ich glaube, je autoritärer das System ist, desto größer ist die Neigung zur Korruption und der beste Kontrolleur ist da eine unabhängige Presse. In einem totalitären System ist Machtmißbrauch viel einfacher. Daher mein Drängen auf eine Stärkung der Demokratie. Aber ich sehe in den reichen Ländern wenig Bereitschaft, den Demokratisierungsprozeß zu unterstützen. So standen auch beim China-Besuch von Kanzler Kohl die wirtschaftlichen Interessen im Mittelpunkt. Da frage ich mich, welches die Kriterien der reichen Länder sind, wenn es um die außenpolitische Linie geht. Ist es die Demokratie, sind es die Menschenrechte oder verfallen wir in den Zynismus "business is business", gleich mit wem?
Sie haben für Ihren mittelamerikanischen "Friedensplan" 1987 den Friedensnobelpreis erhalten. Nun wird deutlich, daß der Lauf der Dinge ein anderer war als gedacht. In Guatemala hat sich z. B. nichts verändert.
Ich denke, daß die Situation in Zentralamerika sechs Jahre nach der Unterzeichnung viel besser geworden ist. Unsere große Sorge heute sind die Fragen, wie die Armut besiegt werden kann, wie Fortschritte in der wirtschaftlichen Entwicklung zu erzielen sind, wie die Ungleichheiten in Lateinamerika bekämpft werden können. Wenn die Präsidenten der Region sich jetzt treffen, geht es also nicht mehr um Waffenstillstand und Exilierte. Andererseits können wir in der Tat nicht zufrieden sein mit dem, was wir erreicht haben. Was der Blick auf einzelne Länder nur unterstreicht.
Die internationale Gemeinschaft konnte beispielsweise Nikaragua nicht ausreichend helfen. Es gab zwar freie Wahlen, doch die gegenwärtige Regierung hat riesige Probleme, die wirtschaftliche Situation hat sich verschlechtert. Es gibt keinen Rechtsstaat, so daß weder das Ausland noch die Nikaraguaner investieren. Das Land ist dazu verurteilt, in Armut zu leben, wenn sich nicht die Einsicht durchsetzt, daß Demokratie auch Toleranz bedeutet, daß nicht jeden Tag zur Waffe gegriffen werden kann, um die eigenen Forderungen zu vertreten.
Im Falle El Salvadors gab es zwar Rückschritte, aber wir stehen vor Wahlen, von denen alle hoffen, daß sie freier und gerechter sind als die vorherigen. Wichtig scheint mir, daß es Schritt für Schritt vorangeht. Niemand erwartet, daß Wahlen in Lateinamerika so perfekt sind wie in Europa oder den USA. Und was Guatemala betrifft: Nun, da haben Sie sicher recht, in Guatemala hat sich nichts bewegt, und der Wille zu einem Friedensschluß fehlt.
Durch das Ende vieler bewaffneter Konflikte in Zentralamerika ist nun der Drogenhandel geradezu explodiert. Wie sehen Sie die Situation?
Das ist ein generelles Übel. Während des Krieges in Nikaragua haben internationale Organisationen und die US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA die Augen vor dem verschlossen, was geschah um die Flugzeuge der Drogenschmuggler auch für Waffenlieferungen an die Contras zu verwenden. Heute ist es z. B. in Kostarika so, daß die Arbeit der Polizei deutlich besser geworden ist nur, was hilft das, wenn die Drogennachfrage in den Industrieländern nicht reduziert wird. Wir jedenfalls machen, was wir können, um den Drogenschmuggel zu stoppen.
Immer wieder haben Sie betont, daß die Schulden der sogenannten Dritten Welt das größte Entwicklungshemmnis darstellen. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Wenn Schulden aus politischen Gründen erlassen wurden, wie im Falle Polens oder Ägyptens, dann sollten andere Schulden auch aus humanitären Gründen erlassen werden, beispielsweise die von Haiti, Nikaragua, Bangladesh, die Schulden der ärmsten Länder der Welt. Wenn die Forderungen dieser ärmsten Länder nicht beachtet werden, dann werden auch die Industrienationen die Folgen zu spüren bekommen: mehr rogen, mehr Terrorismus, mehr illegale Einwanderer, mehr Konflikte. Und solange es mehr Konflikte gibt, wird dies ein guter Grund sein, um das Wettrüsten weiter zu betreiben, nicht nur in den Industrienationen, sondern gerade auch in den unterentwickelten Staaten dieser Welt. Und wenn wir die Schulden schon begleichen müssen, dann sollte zumindest ein Abkommen erreicht werden, daß wir nicht mehr als drei Prozent unseres Bruttosozialprodukts oder zehn Prozent unseres Exporterlöses zahlen. Ich meine, jeder höhere Betrag wäre eine mehr als unfaire Bürde für die betroffenen armen Länder.