Die Privatisierung der gewalt
Profitgier auf Kosten der Zivilbevölkerung
Das Phänomen Krieg bleibt, die Formen ändern sich. »Das Unternehmen Krieg«, herausgegeben von Dario Azzellini und Boris Kanzleiter, zeigt anhand von Konfliktherden rund um den Globus auf, wie neben staatlichen Armeen zunehmend private Militärunternehmen auftreten.
Der Terror in Guatemala hat einen Namen: Rios Montt. Unter dem damaligen Diktator begannen 1982 Massaker und Vertreibungen, um die Dörfer Guatemalas zu säubern. Der Ausgangspunkt, um ein System der Gewalt und der Angst zu etablieren, das weit über das Ende der Militärdiktatur bis heute funktioniert. Im vielleicht beeindruckendsten Kapitel von »Das Unternehmen Krieg« beschreibt Matilde Gonzales die vollkommene Beherrschung des Alltags durch militärischen und paramilitärischen Terror. Systematische Vergewaltigungen von Frauen in aller Öffentlichkeit wie zu Hause, hatten den Zweck, den Terror und somit die Kontrolle bis in die letzten Winkel der Privatsphäre zu tragen.
Die Paramilitärs sind längst in legale Strukturen überführt worden. Sie kontrollieren die Verwaltung und die Verwendung von Entwicklungsgeldern. Montt ist wieder Präsidentschaftskandidat und kann bei den Wahlen im November vor allem auf dem Land mit Stimmen rechnen.
Wie einst Rios Montt setzt auch der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe Vélez auf Gewalt. Seit seinem Amtsantritt hat der Bürgerkrieg an Intensität zugenommen. Dario Azzellini gibt einen tiefen Einblick in staatliche und parastaatliche Unterdrückungsmechanismen und veranschaulicht den Einfluss der USA sowie privater, westlicher Sicherheitsunternehmen. Die reichen Ölvorkommen versprechen hohe Profite. Das Drogengeschäft blüht, trotz der Milliarden, die die USA für den Antidrogenkampf über den Plan Colombia ins Land pumpen. Um ungestört und bei hohen Profiten wirken zu können, werden soziale Organisationen eingeschüchtert, Gewerkschafter von Todesschwadronen ermordet, Kleinbauern zu Tausenden von ihrem Land vertrieben. Wer stört, verschwindet.
Auch Indonesien ist ein Beispiel dafür, wie sich die Armee unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung Macht und Pfründe sichert. Wie Henri Myrttinen beschreibt, stammt nur ein Drittel des Budgets der Armee aus dem indonesischen Haushalt, der Rest stammt aus mehr oder weniger legalen Geschäften – aus Staatsunternehmen, eigenen Firmen und durch Beteiligung an Drogenhandel oder Prostitution. Unabhängigkeitsbestrebungen werden vor allem dort unterdrückt, wo die Armee von der Ausbeutung reicher Bodenschatzvorkommen profitiert – besonders in Aceh und West Papua. Widerstand aus der Bevölkerung wird brutal niedergeschlagen, auch durch paramilitärische Milizen. Staat und Armee haben den US-amerikanischen Kreuzzug gegen den Terrorismus nach anfänglichen Irritationen längst zu ihrem Vorteil wandeln können.
»Das Unternehmen Krieg« zeigt durchaus gelungen weltweite Zusammenhänge, Tendenzen und Verstrickungen auf. Die Kapitel unterscheiden sich in Stil und Blickwinkel und lassen das Buch im Ganzen etwas fragmentiert erscheinen. Der Leser mag den Eindruck erhalten, die Profitaussichten in einer Kriegsökonomie seien der Hauptgrund heutiger bewaffneter, innerstaatlicher Konflikte. »Das Unternehmen Krieg« veranschaulicht, wie verschiedene Akteure immense Vorteile aus der Kriegsökonomie ziehen, Armee- und Milizenführern ebenso wie Politikern, der Oligarchie oder internationalen Rüstungs- und Sicherheitsunternehmen. Dies gilt aber nicht nur für aktuelle Konflikte. Richtig ist, dass eben diesen Akteuren an der Beendigung von Konflikten wenig gelegen sein kann. Es sei denn, es gelingt bereits im Vorfeld eine Überführung der Kriegsökonomie in legale Strukturen, begleitet von einer offiziellen Amnestie oder faktischen Straflosigkeit für begangene Kriegsverbrechen und einer »Alltagskriminalität«, der vornehmlich Kritiker zum Opfer fallen. Guatemala mag da Vorreiter sein.