Rechtsmittel, um Grundrechte einzufordern, stehen RAF-Häftlingen praktisch nicht zur Verfügung
Verteidigung wird immer mehr eingeschränkt
In den letzten Monaten ist eine verstärkte Einschränkung der legalen Rechte von politischen Gefangenen – vornehmlich aus der RAF – und ihren Anwälten zu beobachten. Rechtsmittel, um elementare Grundrechte, wie zum Beispiel freie Meinungsäußerung einzufordern, stehen praktisch nicht mehr zur Verfügung, müssen Anwälte von Gefangenen aus der RAF feststellen.
Gegen etwa 25 gefangene hat die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, § 129 a StGB, eingeleitet. Vorgeworfen wird der Aufbau eines illegalen Informationssystems. Doch dass kein „Informationssystem“ existiert, ist seit spätestens 1989 offensichtlich, sonst hätten die Gefangenen nicht von der Bundesregierung ein „Kommunikationsprojekt“ fordern müssen. Über ein Jahr dauerten nach dem Hungerstreik 1989 die Gespräche mit der Bundesregierung, in denen die Gefangenen ihr Recht auf Kommunikation einforderten. Angesichts der Notwendigkeit von Kommunikation zwischen völlig isolierten Menschen wollte die Evangelische Kirche Deutschlands damals den organisatorischen Rahmen für das Projekt stellen. Nach über einem Jahr lehnte die Regierung der EKD gegenüber ab.
Der Abbau der Anwaltsrechte, wird seit den 70er Jahren unaufhörlich fortgesetzt. In den letzten 20 Jahren wurden z.B. Möglichkeiten geschaffen, Anwälte aus Verfahren auszuschließen, den schriftlichen Verkehr zwischen Anwälten und Mandanten zu überwachen und ihre Kontakte allgemein zu beschränken.
Die neuesten Gesetzesverschärfungen wurden mit einer Kampagne regelrecht vorbereitet. Das „Infosystem“ diene der „Steuerung der Aktionen der RAF aus dem Gefängnis heraus“ und „Anwälte – seien – als Nahtstelle zur Kommandoebene der RAF“ zu betrachten, streute die BAW. Dies wurde von großen Teilen der Presse bereitwillig aufgenommen und verbreitet. Im „Spiegel“ (10.6. und 17.6.) wurden in diesem Zusammenhang gar Namen und teilweise Fotos von vier Anwälten veröffentlicht, die BAW musste die Berichte dementieren.
Die Arbeit der Anwälte wird systematisch erschwert, Verteidigungsunterlagen von Gefangenen werden an die BAW weitergegeben, die rechtlich abgesicherte Einsicht in die Ermittlungsakten der neuen Verfahren wird der Verteidigung seit über einem Jahr verweigert. Die Verteidigung wird so daran gehindert, ihrer eigentlichen Aufgabe, der Verteidigung ihrer Mandanten, nachzugehen.
Doch der Einschränkungen nicht genug, plant die Konferenz der Justizminister und –senatoren vom 24.4.1991 ein sogenanntes „Entlastungsgesetz“ §244 zur „Straffung des Strafverfahrens“. Die Straffung beruht auf einer weiteren Einschränkung der legalen Rechte. Mit dem „Entlastungsgesetz“ können Richter Beweisanträge mit der lapidaren Begründung, sie seien „prozessverschleppend“ zurückweisen. Es steht sogar im Ermessen der Richter, die Vernehmung von Auslandszeugen sowie Beweisanträge nach Schluß der Beweisaufnahme zurückzuweisen. Dies alles laut Gesetzestext „nach der freien Würdigung des Gerichts“, und daß diese Richter nicht „neutral“ sind, haben sie mit ihrem Verhalten gegenüber Anwälten und Gefangenen zu Genüge bewiesen.
Vorläufiger Höhepunkt der Behinderung von Anwälten ist der Ausschließungsantrag der BAW gegenüber Andreas Groß, dem Verteidiger der RAF-Gefangenen Helmut Pohl und Adelheid Schulz. Gleichzeitig beantragte die BAW ein völliges Ruhen der Anwaltsrechte von Andreas Groß bis über den Ausschließungsantrag entschieden sei. Hinzu kamen eine Durchsuchung seiner Kanzlei und seiner Wohnung und die Einleitung eines Verfahrens nach § 129 a gegen ihn. Gefangenen den Anwalt ihres Vertrauens zu entziehen, bedeutet für sie noch größere Isolation.
Und für die Anwälte? Rechtsanwalt Andreas Groß richtete auf einer Pressekonferenz am 5.8.1991 in Bonn die Frage an die Presse: „Wie sollen Anwältinnen und Anwälte in der Situation von Verfolgung, Kriminalisierung und drohender Existenzvernichtung ihre Aufgabe, die Rechte ihrer Mandanten zu verteidigen, überhaupt noch erfüllen?“