20. April: Für ImmigrantInnen und Jugendliche Widerstandstag
"Die Straßen gehören uns"
Seit 1989 gibt es jedes Jahr am 20.4. in Berlin eine Demonstration gegen Rassismus und Faschismus. Die meisten Teilnehmenden sind ImmigrantInnen und Nicht-Szene-Jugendliche. Viele deutsche Antifa-Gruppen haben dem Konzept bisher ablehnend gegenüber gestanden und statt dessen Fahr- und Schutzwachen organisiert.
Senat warnte: Bleibt daheim!
Dieses Jahr hat sich neben den beiden ImmigrantInnen-Gruppen Antifasist Genclik Komitee und A-6 Gencleri mit B-259 erstmals eine gemischte Jugendgruppe, zu der auch viele Deutsche gehören, an der Vorbereitung der Demonstration beteiligt. "Der 20. April ist eine Eroberung der Jugendlichen und ImmigrantInnen", sagen sie. Der Hintergrund: Am 100. Geburtstag Hitlers, vor sechs Jahren, rief der Berliner Senat über das türkische Lokalfernsehen ImmigrantInnen auf, an diesem Tag zu Hause bleiben. Man befürchte rassistische Übergriffe. Berliner Jugendliche, in der Mehrzahl ImmigrantInnen, taten genau das Gegenteil. Sie nahmen sich die Straßen, verhinderten Nazi-Aufmärsche und zeigten dadurch, daß sie sich das Recht zum Atmen und Leben nicht nehmen lassen. "Das ist das wichtigste an diesem Datum: Daß ein Teil der hier lebenden Menschen gegen die Weisungen von oben rebellierte, daß sie selber gehandelt und sich organisiert haben", heißt es im Aufruf.
Darauf angesprochen, ob sie denn den 20.4. nicht mit Hitlers Geburtstag verbindet, meint Tania von B-259: "Für uns ist der Tag vor allem die Geburtsstunde einer Bewegung von unten, die danach an Stärke verloren hat, die wir aber wieder zum Leben erwecken wollen. Mit Hitlers Geburtstag hat das Datum kaum noch was zu tun, es ist unser Widerstandstag!" Jugendliche aus verschiedenen Bereichen und mit unterschiedlichen Interessen, die – wie Teile der Sprayer-Szene – sonst nicht zum Demo-Publikum gehören, machten dabei mit.
Auch die Mobilisierung hat ein neues Gesicht. In der vergangenen Woche fuhren Leute von B-259gemeinsam mit Freunden auf einem Laster mit Anlage an Berliner Schulen herum und riefen mit DJ, Freestyle-Rappern, Redebeiträgen und Flugblättern auf ganz neue und lebendige Art zur Teilnahme an der Demo am 20.4. auf. Der Anklang war groß.
Daß viele vorwiegend deutsche Gruppen den Initiativen der MigrantInnen und Jugendlichen mit Passivität und Desinteresse begegnen, empfinden diese als besonders ignorant. Beispielsweise, als die "Jugend gegen Rassismus in Europa JRE" zunächst am gleichen Tag eine Demo in Berlin-Marzahn organisierte. Dennoch suchen sie Kontakt: "Wir haben zwar die Demo als Jugend- und ImmigrantInnengruppen allein vorbereitet, doch fänden wir es gut, wenn sich auch andere Gruppen daran beteiligen und mit eigenem Aufruf mobilisieren." Doch außer der Gruppe FelS ("Für eine linke Strömung"), die ebenfalls zur Demonstration aufrief, der "Antirassistischen Initiative ARI" und zwei weiteren Gruppen, die sich an der Demonstration beteiligen, reagierte niemand auf die Aufforderung.
Für Solidarität und Selbstorganisation
Die Demonstration richtet sich nicht nur gegen Rassismus und Faschismus, sondern ebenfalls gegen die zunehmende Kriminalisierung von Flüchtlingen, ImmigrantInnen und Jugendlichen und soll zur "Stärkung der ImmigrantInnen- und Jugendselbstorganisierung" beitragen und für deren Belange eintreten. Und es geht um Solidarität mit Cengiz, einem Berliner Jugendlichen, dem vorgeworfen wird, an einer antifaschistischen Aktion im April 1992, bei der der Nazi-Kader Gerhard Kaindl ums Leben kam, beteiligt gewesen zu sein. Obwohl der Ende letzten Jahres gegen sieben Angeklagte geführte Prozeß die ganze Angelegenheit weitgehend als Konstrukt des Staatsschutzes entlarvt und das Verfahren gegen weitere ehemals Gesuchte sogar eingestellt wurde, bleibt der Haftbefehl wegen Mordes gegen Cengiz weiter bestehen.