Tiefe «offizielle» Opferzahlen, neokoloniale Rekrutierungsmöglichkeiten und wenig politische Debatten machen private Söldnertruppen attraktiv. Einblicke in ein schmutziges Geschäft.
Tummelplatz für Söldner aus aller Welt
Nach dem US-Kontingent, das im Dezember 2004 auf 150 000 Soldaten erhöht wurde, stellen die von den privaten Militärdienstleistern (PMC) gestellten Truppen die zweitstärkste «Armee» im Irak. Laut Angaben des PMC «Custer Battles» stehen über 30 000 Iraker und «viele Tausend andere» im Dienste von PMCs. Die Zahl der für PMCs aktiven AusländerInnen wird auf 6000 bis 20 000 geschätzt.
Im Irak obliegt es MitarbeiterInnen von PMCs, Patrouille zu laufen, Gebäude und Infrastruktur zu bewachen und für irakische sowie US-Vertreter die Leibwachen zu stellen. Selbst das Personal in den irakischen Militärgefängnissen stammt von privaten Sicherheitsdiensten. So waren auch MitarbeiterInnen der privaten Sicherheitsdienste «Caci» und «Titan» in die Foltervorfälle im Abu-Ghraib-Gefängnis verstrickt.
Privates Sterben
Gemäss der Strategie der Truppen der «Koalition der Willigen», die sich im Wesentlichen in Militärcamps verschanzt halten und hin und wieder Luftbombardements oder massive «Strafexpeditionen» mit grossem Militäraufgebot in Städte und Stadtviertel unternehmen, ist die Rolle der PMCs immer stärker gewachsen und ihre Tätigkeit riskanter geworden. In den ersten zwölf Tagen des April 2004, als der irakische Widerstand seine Angriffe verstärkte, gab General Kimmit die Anzahl der getöteten US-Soldaten mit siebzig an. In der gleichen Zeit sollen aber bis zu achtzig US-Angestellte von PMCs umgekommen sein. Gesamtzahlen gibt es nicht. Viele der in Medien und US-Erklärungen als «ZivilistInnen» benannten Opfer von Anschlägen, Angriffen und Entführungen sind nur formal solche. In Wahrheit handelt es sich um Angehörige militärischer Dienstleister, um moderne Söldner.
Von 1994 bis 2004 unterzeichnete die US-Regierung über 3000 Verträge mit Privatunternehmen für Dienstleistungen für Truppen im Auslandseinsatz. Gemäss eines am 29. Juli 2004 veröffentlichten Untersuchungsberichts des Centre for Public Integrity (Washington) wurden von der US-Regierung im Irak Aufträge an 150 US-PMCs mit einem Gesamtvolumen von 48,7 Mrd. US-Dollar vergeben. Daher wird die «coalition of the willing» häufig auch als «coalition of the billing » (Koalition der Rechnungssteller) bezeichnet.
Der enorme Bedarf nach privaten Militärdienstleistern hat im Irak dazu geführt, das Unternehmen aus der Branche ihre Büros in Bagdad eröffnet haben. Britische Söldnerfirmen haben gemäss dem Direktor der Londoner PMC «Janusian» ihren Umsatz seit der Besetzung des Iraks von 320 Millionen Dollar auf 1,8 Milliarden erhöht. «Global Risk Strategies» etwa hatte vor dem Angriff auf Afghanistan erst zwei Mitarbeiter, heute arbeiten für sie über 1000 Mann im Bereich des Objekt- und Personenschutzes. Das Unternehmen hat Büros in London, Washington D.C., Johannesburg, Bagdad, Kabul, Islamabad, Dubai, Hongkong und Suva (Fidschi). «Global Risk International», Teil der Global Risk Group, gehört zu den grossen britischen Firmen im Irak-Geschäft und stellt nepalesische Gurkhas und Kämpfer der Fidschi-Inseln sowie Ex-SAS-Soldaten für die Bewachung des US-Hauptquartiers in Bagdad.
Neue Rekrutierungsgebiete
Mit dabei ist auch die US-amerikanische «Dyn-Corp», die in Kolumbien die Besprühung des Drogenanbaus (inklusive Spezialeinheiten zur Evakuierung verletzter und gefährdeter Militärs und Polizisten) übernimmt, in Bosnien in organisierten Frauenhandel verwickelt war, die Grenze zwischen den USA und Mexiko militärisch überwacht, den «Weltraumschild» der US-Streitkräfte mitentwickelt hat, US-Kriegsflugzeuge und -schiffe wartet und Atombombentestgebiete in den USA verwaltet und auch in Israel/Palästina aktiv ist. Erst im Oktober 2003 wurden in Gaza mit einer Bombe drei DynCorp-Mitarbeiter getötet, die Personal der US-Botschaft eskortierten. Im Irak ist «DynCorp» damit beauftragt, die neue irakische Polizei zu rekrutieren und auszubilden, dafür wurde ein tausendköpfiges Team aufgebaut.
Nachdem sich die Gefährlichkeit der Aufträge im Irak herumgesprochen hat und Regierungen, wie etwa die der Philippinen, ihren Bürgern offiziell abraten, sich für Einsätze im Irak zu melden, weichen PMCs zunehmend auf neue Länder aus. «Triple Canopy» aus Lincoln, Illinois, verlegte ihre Rekrutierungstätigkeit von den Philippinen nach El Salvador. Die Militärgeschichte des zentralamerikanischen Landes sei dafür durchaus ein Grund gewesen, so Firmensprecher Joe Mayo. «Triple Canopy», spezialisiert auf Personenschutz für zivile MitarbeiterInnen der US-Behörden im Irak, war auf der Suche nach Militärs mit Spezialkräfteausbildung. In El Salvador, dessen Eliten und Armee sich von 1981 bis 1993 im Krieg gegen die Bevölkerung befanden, sind diese nicht schwer zu finden. Ein ehemaliger US-Militär und früherer Ausbildner der Spezialeinheiten der Armee El Salvadors hat die Rekrutierungsgespräche eingefädelt. Der Mann, der gegenüber der Presse lieber anonym bleiben will und Teilhaber eines «Sicherheitsunternehmens» in El Salvador ist, berichtet von hundert Rekruten, die bis am17. September 2004 in Richtung Irak aufgebrochen seien. 1700 USDollar im Monat, die ihnen «Triple Canopy» bietet, sind viel Geld für El Salvador. Dort verdienen Leibwachen nur 350 Dollar im Monat, wenn sie überhaupt Arbeit finden.
Das US-Unternehmen «Halliburton» wirbt in Kolumbien um Mitarbeiter im «Sicherheitsbereich» für den Irak. Diese sollen Öl- und Gaspipelines schützen und Bodyguards für Privatunternehmen in Bagdad, Mossul, Falludscha und Basra stellen. Firmensprecher leugnen den Umstand zwar, doch die direkten Anwerber und einige, die an Rekrutierungsveranstaltungen teilgenommen haben, sind redselig. Sie berichten von Zusammenkünften anfang Dezember 2004 und einer 16-köpfigen Gruppe, die im gleichen Zeitraum Kolumbien Richtung Irak verlassen habe. Die kriegserprobten und US-trainierten KolumbianerInnen stehen hoch im Kurs. 7000 US-Dollar monatlich plus Lebensversicherung, Verträge für ein Jahr, verlängerbar um sechs Monate sowie alle drei Monate ein Kurzurlaub in einer europäischen Stadt ihrer Wahl werden ihnen geboten. Nur vorzeitig aussteigen dürfen sie nicht, dann müssen sie zur Strafe alle erhaltenen Gelder zurückzahlen.
Vereinigte Mörderbanden
«Blackwater USA», zu dem die in Falludscha am 31. März 2004 getöteten und von einer Menschenmenge durch die Strassen geschleiften vier US-Amerikaner gehörten, die in den Medien zunächst als Zivilisten dargestellt worden sind, übernimmt im Irak besonders heikle Aufgaben. Darunter auch den Schutz für die «Coalition Provisional Authority» (CPA), die Ausbildung von irakischen Antiterroreinheiten, Aktionen «hinter den feindlichen Linien» und bewaffnete Evakuierungen von verletzten US-SoldatInnen aus Kampfsituationen. Die bestbezahlten Experten von «Blackwater USA» stecken für Sondermissionen 600 bis 1000 Dollar am Tag ein. Das US-Unternehmen mit Hauptsitz in Moyock (North Carolina), 1996 vom hemaligen «Navy Seal» Erik Prince gegründet, beschäftigt im Irak 450 MitarbeiterInnen. Darunter befinden sich auch 122 Ex-Angehörige der Armee Chiles, die wegen Verstrickung in Menschenrechtsverbrechen aus dem Dienst entlassen worden sind. Sie sind über die uruguayische Firma «Neskowin» beschäftigt, die von José Miguel Pizarro geleitet wird, ein Exoffizier der Armee Pinochets. Wie Pizarro der chilenischen Zeitung «La Tercera » erklärte, werbe er nun Ex-Militärs aus Argentinien an.
So professionell und seriös die verschiedenen PMCs auch auftreten mögen – in ihren Reihen finden sich allerhand sehr zweifelhafte Firmen und dubiose Gestalten. So etwa die südafrikanische Firma «Meteoric Tactical Solutions» (Hauptbüro in Pretoria), die mit einem Vertrag über 270 000 britische Pfund von der britischen Entwicklungshilfebehörde DFID (Department for International Development) engagiert wurde und Leibwachen und FahrerInnen für den kleinen Personalstab der DFID im Irak stellt. Zwei der Firmeneigner wurden im März 2004 gemeinsam mit dem zwielichtigen britischen Ex-SAS-Kämpfer Simon Mann in Haft genommen. Lourens «Hecky» Horn steht in Simbabwe vor Gericht, da ihm vorgeworfen wird, in einen Putschversuch in Äquatorialguinea verwickelt zu sein.
Am 7. März 2004 beschlagnahmten die Sicherheitskräfte des Flughafens von Harare in Simbabwe eine Boeing 727 und verhafteten 65 SöldnerInnen verschiedener Nationalität, die nach Äquatorialguinea weiterfliegen sollten, um sich mit einem anderen Söldnerkommando zu treffen. Die Gruppe war beauftragt, einen Putsch zum Sturz des Präsidenten durchzuführen. In dem Flugzeug befanden sich 61 AK-47 Sturmgewehre, 45 000 Schuss Munition, 160 Granaten und 1000 Schuss panzerbrechende Munition. Noch wenige Monate zuvor hatte «Hecky» den Vertrag über den Einsatz im Irak mit der britischen Regierung unterschrieben.
Simon Mann wiederum hatte zuvor eine Führungsposition in dem mittlerweile aufgelösten südafrikanischen Söldnerunternehmen «Executive Outcome». Aus diesem ging «Sandline» hervor, das Simon Mann gemeinsam mit Anthony Buckingham und dem Ex-SAS-Mitglied Tim Spicer gegründet hat. 1998 wurde Sandline von der britischen Regierung unter Vertrag genommen, um in Sierra Leone zu intervenieren und dabei das UNO-Waffenembargo zu umgehen. Ein Jahr zuvor waren Spicer und Sandline in schwere Bedrängnis gekommen, als sie in einem undurchsichtigen Deal engagiert wurden, um in Papua-Neuguinea illegal die Rebellenarmee von Bouganville zu bekämpfen, die sich gegen den zerstörerischen Kupferabbau zur Wehr setzt. Dennoch erhielt Spicer mit seinem Mitte 2003 gegründeten neuen Unternehmen «Aegis Defense Services» von der US-Army einen Auftrag mit einem Volumen von 293 Millionen US-Dollar. «Aegis Defense Services» stellt für verschiedene, am «Wiederaufbau » des Iraks beteiligte Firmen, zusammen mit dem Personal des «Project Management Office» (PMO), das die verschiedenen Projekte im Irak leitet, den Schutz und koordiniert die Arbeit aller PMCs in diesem Bereich.
Nicht Ökonomie
Ein ökonomischer Vorteil durch das Outsourcing der Militäraufgaben, wie oft behauptet, wurde bisher nicht nachgewiesen. Die bekannt gewordenen Fälle zeugen eher vom Gegenteil (siehe etwa den Vertrag zwischen Kellogg, Brown & Root und Halliburton und die gefälschten Rechnungen, mit denen dem Pentagon ein überhöhter Benzinpreis abverlangt wurde). Und schliesslich bezahlen die Staaten, allen voran die USA, den PMCs unglaubliche Summen, während zugleich die teure Ausbildung auf ihre Rechnung geht. So kostet die 18-monatige Ausbildung eines US-amerikanischen Green Beret 257 000 Dollar. Wenn er anschliessend zu einer PMC wechselt, ist mindestens das dreifache des vorherigen Lohns fällig. Das führt auch dazu, dass zunehmend mehr SoldatInnen mit Spezialausbildung aus den Reihen der offiziellen Armeen in die der PMCs wechseln. So sollen vierzig Angehörige einer 300-köpfigen Einheit der Green Berets im Irak bereits den Dienst quittiert haben, um für PMCs zu arbeiten.
Anstatt einer Kostenersparnis dient das «Outsourcing » also vielmehr einerseits der neuen Militärdoktrin, mehrere grosse Kriege oder Konfrontationen gleichzeitig bestehen zu können, und andererseits dazu, Militäreingriffe der öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle zu entziehen, «Geheimoperationen» durchführen zu können, offizielle Opferzahlen auf der eigenen Seite «niedrig» zu halten (da die PMCMitarbeiterInnen nicht in den Gefallenen- oder Verwundetenstatistiken auftauchen) und nicht zuletzt auch Gesetze und internationale Abkommen umgehen zu können (so wie beim Auftrag an MPRI im Jugoslawien-Krieg, die kroatisch-muslimischen Truppen in Bosnien in Umgehung eines Waffenembargos auszubilden und mit Waffen zu versorgen). In den USA müsste eigentlich die Behörde «International Traffic in Arms Regulation» die PMCs kontrollieren, die darüber hinaus keine «kritischen Aufträge» erhalten dürften. In der Praxis ist eine Kontrolle nicht existent, die Kompetenzen sind nicht geregelt und während die PMCs zu Schweigsamkeit gegenüber Dritten verpflichtet werden, zieht sich das Militär auf den Inhalt des offiziell erhaltenen Auftrags zurück.
Mit den Tätigkeiten von PMCs werden militärische US-Standards und Normen verbreitet, was militärische Kooperationen vereinfacht. In den 90er Jahren bildeten US-PMCs über Abkommen mit den USA Armeen von über vierzig Ländern aus. Ein weiterer «Vorteil» der Nutzung von PMCs ist der faktisch rechtsfreie Raum, in dem diese agieren. Da die PMCs keine Militärs sind, können sie auch nicht der Militärjustiz unterworfen werden. Sie müssten als ZivilistInnen eigentlich dem lokalen Zivilrecht unterworfen sein. Das ist aber in den meisten Einsatzgebieten entweder kaum existent oder nicht an einer Verurteilung interessiert.
Unternehmen Krieg
Dario Azzellini / Boris Kanzleiter (Hrsg.), Das Unternehmen Krieg: Paramilitärs, Warlords und Privatarmeen als Akteure der Neuen Kriegsordnung. 2., unver. Auflage, Mai 2004, 216 Seiten. 25.30 Franken.
Das Buch enthält Artikel zur neuen Kriegsordnung – Der globale Kapitalismus und seine barbarisierte Rückseite (Thomas Seibert), Kolumbien – Versuchslabor für privatisierte Kriegführung (Dario Azzellini), zum Susurluk-Komplex – Zusammenarbeit von Staat, Paramilitärs und Organisiertem Verbrechen in der Türkei (Knut Rauchfuss), zu Paramilitarismus als soziale Organisierung – Aufstandsbekämpfung in Chiapas (Dario Azzellini), zu Paramilitarismus, Gewalt und Geschlecht in Guatemala (Matilde Gonzales/AVANCSO), zu Jugoslawiens multiethnischen Kriegsgewinnlern – Paramilitarismus zwischen Krieg, Ethnisierung und kriminell-institutionellen Komplexen (Boris Kanzleiter), ein Interview mit Dr. Matin Baraki zum Thema «Warlordisierung vertraglich festgeschrieben», Warlords und «Krieg gegen den Terror» in Afghanistan, Alte «neue» Kriege – Die Privatisierung der Gewalt in Indonesien (Henri Myrttinen), «Feindliche Übernahmen» – Ökonomische Interessen und «militärisches Unternehmertum» im Kongo (Björn Aust), Kriegswirtschaft in Friedenszeiten – Die private Sicherheitsindustrie in Angola (Lisa Rimli), Krieg & Frieden GmbH: Privatarmeen und private Militärunternehmen als Akteure der Neuen Kriege (Boris Kanzleiter), High Tech mit Bodentruppen: DynCorp – ein globaler privater Gewaltkonzern (Dieter Drüssel), Policing for Profit – Der kleine Krieg vor der Haustür (Volker Eick).